Alzheimer: Fisch schützt, Fischöl nicht.

Können Fisch oder Fischöl-Kapselnvor Alzheimer und/oder anderen Erkrankungen schützen? Eine aktuelle Studie am Rush University Medical Center in Chicago kommt zu dem lakonischen Ergebnis: Fisch hilft, Fischöl nicht! Das bestätigt eine alte Erkenntnis der Vollwerternährung: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – oder, um es naturwissenschaftlicher auszudrücken:  „Die Nachteile einer ungesunden Ernährung kann man nicht durch die Einnahme einzelner Mikronährstoffe oder Supplemente kompensieren“, so der Kommentar von Prof. Martin Smollich, Experte für klinische Ernährung von der Praxishochschule Rheine, zu den Ergebnissen der Studie.
 

Viel Fisch, viel Quecksilber – was aber nicht schadet

Ein moderater Seefisch-Verzehr (2 Fischmahlzeiten pro Woche) ist den Ergebnissen der Studie zufolge mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit korreliert, an Alzheimer zu erkranken. Wer regelmäßig Seefisch isst, muss mit einem nicht ganz unproblematischen Nachteil rechnen: der möglicherweise hohen Aufnahme des Schwermetalls Quecksilber. Doch während der  Fischverzehrs Vorteile bringt – so die Leiterin der Studie Prof. Martha Clare Morris – scheint das Quecksilber nicht zu schaden, zumindest hinsichtlich dementieller Erkrankungen nicht: Die Fischesser hatten zwar tatsächlich mehr Quecksilber im Gewebe – was allerdings hinsichtlich Demenz und neuropathologischer Erkrankungen keinerlei Auswirkungen hatte.
 

More fish, more fun

Wer sich für die Einzelheiten der Studie interessiert, dem sei die Lektüre des Beitrags von Prof. Smollich im praxisblog der Hochschule Rheine empfohlen. Sein Fazit: „Tatsächlich konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Fischverzehr zu Lebzeiten und der Quecksilber-Konzentration im Gehirn gefunden werden. Ebenfalls signifikant war aber auch der umgekehrte Zusammenhang zwischen Fischverzehr und neuropathologischen Anzeichen für Alzheimer und zerebrale Makroinfarkte: Je höher der Seefisch-Verzehr, desto geringer waren die Anzeichen für Alzheimer und Hirninfarkte. Und besonders aufschlussreich: Im Gegensatz zu Fischmahlzeiten zeigte die Supplementation mit Fischöl-Präparaten keinerlei Zusammenhang mit neuropathologischen Parametern.“
 

docFood meint

Genau darin könnte der eigentliche Wert der Studie liegen: In der Erkenntnis, dass Fischöl in Kapseln mit all seinen hochgelobten Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzungsmittel zumindest hinsichtlich der Prävention von Demenz nichts bringt. Doch auch in Bezug auf den Fischverzehr sollte man sich davor hüten, in den „viel hilft viel“ Modus zu verfallen. Schließlich mahnt selbst Prof. Morris als Autorin der Studie einen umsichtigen Umgang mit dem Seefisch an: “Most studies in dementia have found that one seafood meal a week is beneficial,” she said, though “they haven’t found that the more you eat, the lower the risk.”

Dr. Friedhelm Mühleib

Quelle: Morris MC et al. Association of seafood consumption, brain mercury level, and APOE ε4 status with brain neuropathology in older adults. JAMA 2016; 315: 489–497

Fachbuch-Tipp – Vitamine und Minerale für Klinik und Praxis

Wer fundiertes Wissen zu Vitaminen und Mineralstoffen für die ernährungstherapeutische Praxis sucht, dem möchten wir das neue Werk von Konrad Biesalski ans Herz legen. In „Vitamine und Minerale – Indikation, Diagnostik und Therapie“ vom Thieme-Verlag hat der Ernährungsmediziner praxistaugliche Informationen zu Mikronährstoffen zusammengetragen, die gleichzeitig als Handlungsanweisungen für Ärzte und Ernährungsfachkräfte dienen.
Bücher über Vitamine und Mineralstoffe gibt es zwar viele, häufig fehlen jedoch konkrete Informationen für Ärzte und Ernährungsfachkräfte in Klinik und Praxis. Diese Lücke wird nun mit „Vitamine und Minerale“ geschlossen. Denn der Schwerpunkt des Fachbuches liegt auf der Frage, wann tatsächlich ein Defizit an Mikronährstoffen besteht und welche Personen einen erhöhten Bedarf an Vitaminen, Mineralen und Spurenelementen haben. So lassen sich die Mikronährstoffe im Krankheitsfall oder bei Risikogruppen sicher und gezielt einsetzen.
Teil I des Buches gibt allgemeine Auskunft über Mikronährstoffe und erläutert u.a., was diese generell im Körper bewirken, wie sich ein Mangel definieren lässt und welche Folgen bei einer Unterversorgung zu erwarten sind.
In Teil II werden die wichtigsten Vitamine und Minerale in eigenen Abschnitten ausführlich porträtiert. Zusätzlich zu Nomenklatur, Funktion, Quellen und empfohlenen Zufuhrmengen gibt es hier Informationen zu Risikogruppen, zu Wechselwirkungen mit anderen Nährstoffen und Medikamenten, zu Symptomen der Unterversorgung sowie Empfehlungen für die Therapie bei verschiedenen Personengruppen und Erkrankungen.
Teil III widmet sich in kurzer Übersicht den Bevölkerungsgruppen, die für eine unzureichende Nährstoffzufuhr generell ein Risiko haben und erläutert besondere Bedarfssituationen während des gesamten Menschenlebens, bevor in Teil IV konkrete klinische Fragestellungen im Hinblick auf den Bedarf an Mikronährstoffen beleuchtet werden.
Alle Kapitel bieten eine übersichtliche Gliederung sowie gleichermaßen kompakte wie strukturierte Informationen auf Basis der aktuellen Studienlage. Damit ist „Vitamine und Minerale“ ein wertvolles Nachschlagewerk und idealer Ratgeber für den Klinik- und Praxisalltag.
 
Bielsalski_Vitamine_Minerale_9783132210219.inddHans Konrad Biesalski
Vitamine und Minerale

Indikation, Diagnostik, Therapie
Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2016
320 Seiten, 20 Abbildungen, gebunden
Buch: EUR [D] 49,99 / EUR [A] 51,40
ISBN Buch: 978-3-13-221021-9
E-Book: EUR [D] 49,99 / EUR [A] 49,99
ISBN E-Book (PDF): 978-3-13-221031-8
Das Buch bestellen oder das Inhaltsverzeichnis, das Vorwort und eine Musterseite ansehen können Sie hier>>

Melanie Kirk-Mechtel

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Fasten kann bei Fettleber heilen

Gegen Fettleber gibt es ein einfaches Rezept: Fasten. In vielen Fällen ließe sich damit auch ein bestehender Diabetes therapieren, wie  der Ernährungswissenschaftler Prof. Nicolai Worm bereits vor drei Jahren in seinem Buch „Menschenstopfleber“ postuliert hat. Jetzt haben Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München neue Erkenntnisse auf molekularer Ebene gewonnen, die die Thesen von Worm bestätigen.

 
In der Pressemeldung des Zentrums heißt es: „Die steigende Zahl an übergewichtigen Menschen entwickelt sich zu einem drängenden Problem. Insbesondere die dadurch verursachten Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes und entsprechende Folgeerkrankungen können schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen haben. Eine reduzierte Aufnahme von Kalorien, etwa im Rahmen einer Intervallfastenkur, kann helfen, den Stoffwechsel wieder auf Vordermann zu bringen.“ Auf der Suche nach dem Grund dafür konnten die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zeigen, dass bei Nahrungsentzug ein bestimmtes Protein hergestellt wird, das den Stoffwechsel in der Leber anpasst.
 

Fetteinlagerung: Proteinschalter in der Leber

Mithilfe so genannter transcript arrays konnten sie zeigen, dass speziell das Gen für das Protein GADD45β je nach Ernährung unterschiedlich oft abgelesen wurde: Je mehr Hunger, desto öfter produzierten die Zellen das Molekül, dessen Bezeichnung eine Abkürzung für das englische ‘Growth Arrest and DNA Damage-inducible’ ist. Modellversuche ergaben, dass GADD45β für die Steuerung der Fettsäureaufnahme in der Leber zu ständig ist. Mäuse, denen das Gen fehlte, entwickelten leichter eine Fettleber. Stellte man das Protein aber wieder her, so normalisierte sich der Fettgehalt der Leber. Zudem verbesserte sich der Zuckerstoffwechsel. Auch beim Menschen – so stellten die Wissenschaftler fest – gehen niedrige GADD45β-Spiegel erhöhten Fettanreicherung in der Leber und   erhöhtem Blutzuckerspiegel einher.
 

Hungern für die Gesundheit

„Der durch das Fasten verursachte Stress auf die Zellen der Leber scheint also die Produktion von GADD45β anzukurbeln, was dann den Stoffwechsel an die geringe Nahrungsaufnahme anpasst“, fasst Prof. Dr. Stephan Herzig, Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) am Helmholtz Zentrum München, zusammen. Die neuen Ergebnisse wollen die Forscher nun nutzen, um therapeutisch in den Fett- und Zuckerstoffwechsel einzugreifen und die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachzuahmen.
 

Intervallfasten – Hungern für die Gesundheit from Helmholtz Zentrum München on Vimeo.

 

docFood meint

„Wirkstoffe“ zu entwickeln, die die „positiven Effekte von Nahrungsentzug nachahmen“ ist hanebüchener Unsinn, wo das Fasten doch eine sichere und (weitestgehend) nebenwirkungsfreie Methode des Nahrungsentzugs bietet  – es braucht nicht viel mehr als den persönlichen Willen dazu. Statt etwas Überflüssiges zu entwickeln, an dem im Zweifelsfall vor allem die Pharmaindustrie Freude hat, sollten sich die Helmholtz-Forscher Worms Anleitung zum Leberfasten zu Gemüte führen. Bei deren Lektüre kommt man schnell zu dem Schluss, dass mit dem Leberfasten die gesuchte Therapie bereits gefunden ist. Dann wäre allenfalls eine Studie sehr nützlich, die genau das verifiziert!

 Dr. Friedhelm Mühleib

Hypertonie: „Wir brauchen den ganzheitlichen Blick“

Heute ist Welt-Hypertonietag: Etwa 20 bis 30 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Bluthochdruck (Hypertonie). Das ist fast jeder Dritte. Zwar erkranken vor allem ältere Menschen, aber zunehmend sind auch Jüngere betroffen. Ein unbehandelter Bluthochdruck ist Risikofaktor Nr. 1 für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit für viele Todesfälle durch Herzinfarkte und Schlaganfälle verantwortlich. Im Interview mit docFood fordert  Dr. Dr. Charles C. Adarkwah: „In der Therapie der Hypertonie brauchen wir den ganzheitlichen Blick.“
 
Dabei kritisiert der Ernährungsmediziner, Hypertensiologe und Gesundheitsökonom, dass Lifestylefaktoren wie Ernährung und Bewegung in der Therapie nach wie vor noch nicht den Stellenwert genießen, den sie verdienen.
 
docFood: Wie wichtig es ist, Bluthochdruck früh zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, darauf will auch in diesem Jahr der heutige Welt-Hypertonietag aufmerksam machen. Gibt es – was die Behandlung des Hochdrucks betrifft – entscheidende Neuigkeiten?
Adarkwah: Die gibt es tatsächlich: Die Ergebnisse der SPRINT-Studie könnten die Behandlung des Bluthochdrucks komplett verändern. Die Studie hat gezeigt, dass eine Senkung des Blutdrucks bei Hypertonikern auf unter 120 mmHg das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall – verglichen mit einem Zielwert von 140 mmHg – deutlich vermindert und zudem die Gesamtsterblichkeit senkt. Die Ergebnisse sind so eindeutig, dass die Senkung der Zielwerte auch in Deutschland schon im Fokus der Fachgesellschaften ist. Die entscheidende Frage wird allerdings sein, wie man dieses Blutdruckziel erreicht. Sowohl bei der derzeitigen Behandlung als auch in der Diskussion der Konsequenzen für die Zukunft, sind nicht-medikamentöse Maßnahmen unterrepräsentiert. Das sollte sich ändern. Wenn wir die niedrigeren Werte erreichen wollen – was meines Erachtens sinnvoll ist – müssen wir uns noch einmal genau über den Weg dorthin Gedanken machen.
docFood:  Der Einfluss von nicht-medikamentösen Maßnahmen wie Ernährung und Bewegung auf einen zu hohen Blutdruck gilt als hilfreich, aber begrenzt. Wenn jetzt der Blutdruck noch stärker gesenkt werden soll, ist dann nicht ein noch massiverer Einsatz von Medikamenten und eine noch geringere Wertschätzung von Ernährungs- und Lifestylemodifikationen zu erwarten?
Adarkwah: Ich sehe das anders: Ernährungs-und Lifestylefaktoren kommt eine sehr große Bedeutung zu. Bei den Teilnehmern der  SPRINT-Studie wurde der Fokus zwar auf Menschen mit Bluthochdruck, aber ohne Diabetes gelegt, obwohl das Vorliegen beider Erkrankungen in der Praxis häufig vorkommt. Trotzdem hatten die Studienteilnehmer fast alle noch weitere Begleiterkrankungen. Das macht deutlich: Unsere Patienten sind komplexe Individuen, bei denen der Bluthochdruck meist nur einen Teil des gesamten  Risikoprofils darstellt. Der Gesundheitszustand eines Hypertonikers hat in der Regel mehrere Facetten und meist ist Übergewicht eine davon. Deswegen darf sich der Blick auf den Nutzen einer Ernährungs- oder Bewegungtherapie nicht alleine am quantitativen Aspekt der Drucksenkung von einigen Millimetern Quecksilbersäule orientieren, sondern muss den Benefit für den Gesamtorganismus sehen. Eine gesündere und ausgewogenere Ernährung und Gewichtsreduktion bei adipösen Hypertonikern hat eine vielschichtigere Wirkung, als es sich in einem Blutdruckwert oder einer Senkung in mmHg fassen lässt.
docFood:  Man darf die Hypertonie also nicht isoliert sehen, sondern muss sie als ein Symptom der gesundheitlichen Gesamtverfassung eines Individuums sehen?
Adarkwah: So ist es. Wir behandeln ja auch grundsätzlich keine Einzelparameter. Es geht ja in der modernen Herz-Kreislauf-Prävention immer um ein Gesamtrisiko. Überspitzt gesagt: Was interessiert mich der höhere Blutdruck per se? Er ist zunächst einmal in erster Linie ein Risiko für ein eventuelles kardiovaskuläres Ereignis, und das ist, was mich eigentlich interessiert. Da sind dann andere Faktoren neben dem erhöhten Blutdruck genauso wichtig. Wir brauchen den ganzheitlichen Blick! Das wird m.E. von einschlägigen Fachgesellschaften häufig  zu eindimensional gesehen. Und bei diesem Blick aufs Ganze spielt die Ernährungsmedizin eine nicht zu verachtende Rolle – gerade hinsichtlich ihrer langfristigen Wirkung.

 Das Interview führte Dr. Friedhelm Mühleib

 
 
Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews mit Dr. Dr. Adarkwah, in dem es um Möglichkeiten der Realisierung einer Ernährungstherapie und die Rolle von Ernährungsfachkräften geht, in den nächsten Tagen hier bei docFood.

Probiotika gegen Demenz & Co.?

Kann die Medizin die Darmflora nutzen, um Multiple Sklerose, Angstzustände, Autismus oder sogar Alzheimer zu heilen? So weit ist man noch lange nicht. Trotzdem belegen immer mehr Studien, dass Mikroorganismen aus dem Darm sowohl unser Verhalten beeinflussen als auch die Physiologie und Neurochemie des Gehirns verändern können. Wie aktuelle Untersuchungen einer Forschergruppe  unter der Leitung von Prof. John Cryan (Foto), Leiter des APC Microbiome Institute der Cork-University in Irland zeigen, könnten könnten sich neue Wege in der Behandlung z.B. von Krankheiten des Nervensystems  und psychischen Störungen ergeben.
 
Was hat die Darmflora mit dem Großhirn zu tun?
Prof. John F. Cryan erforscht schon seit Jahren die Rolle der Darmbakterien in der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn und gehört zu den Vorreitern der Erforschung der Hirn-Darm-Achse. Die Bakterien könnten, so Cryans Erkenntnis, ganz neue Perspektiven für die Behandlungen von Angst, depressiver Verstimmung und stressbedingten psychiatrischen Störungen eröffnen. Auch die aktuelle Studie der Gruppe um Cryan war diesem Thema gewidmet, in der es um den Einfluss der Mikrobiota auf den präfrontalen Cortex (PFC, Frontallappen) ging. Der PFC ist eine Schlüsselregion im Großhirn, in der zum einen die Vernunft zu Hause ist, wo aber auch Emotionen verarbeitet werden. Er spielt bei der Entstehung verschiedener neuropsychologischer Störungen wie Depression, Schizophrenie und Autismus eine Rolle.
 
Wie die Darmflora bei der Isolierung unserer  Nerven hilft
Die Forscher verglichen Mäuse mit normaler Darmflora und keimfreie Mäuse, die auf Grund einer Antibiotikabehandlung keine Darmflora besaßen. Sie wollten wissen, was im Frontallappen der keimfreien Gruppe im Vergleich mit den normalen Mäusen passiert und machten dabei eine überraschende Entdeckung: Den Zusammenhang zwischen einer intakten Darmflora und der Versorgung der Nerven mit Myelin. Myelin ist eine Substanz, die die Fortsätze von Nervenzellen wie eine Isolierung in Form der sogenannten Myelinscheiden umgibt. Intakte Myelinscheiden schützen die Nervenfortsätze und sichern die schnelle und effiziente Kommunikation im Nervensystem. Somit sind sie eine Voraussetzung für das normale Funktionieren unserer Nerven. Wird diese Isolierschicht beschädigt, entstehen neurologische Erkrankungen mit z.T. verheerenden Folgen. Auch der Multiplen Sklerose liegt ein Abbau des Myelins zu Grunde, was zu den bekannten Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen führt, die schließlich zum Tod führen können.
 
Beweis für die Wechselwirkung zwischen Darm und Hirn
Wie gut oder schlecht die Nervenzellen im PFC mit Myelin isoliert sind, ist mit abhängig von der Existenz einer intakten Darmflora – so die wichtigste Erkenntnis der Studie des Teams von Cryan. Bei den keimfreien Mäusen konnten die Forscher im Vergleich zu den Mäusen mit Darmflora im präfrontalen Cortex einen wesentlich stärkeren Anstieg der Genexpression für Myelin messen. Wurde den keimfreien Mäusen anschließend wieder eine normale Darmflora übertragen, ging ihre Fähigkeit zur verstärkten Myelinbildung weitgehend verloren. Durch den Einsatz der Transmissionselektronenmikroskopie konnten die Forscher erstmalig das Ausmaß der Zunahme der Myelinisierung sichtbar machen – was einen wissenschaftlichen Durchbruch bedeutet: “Wir haben damit einen Prozess entschlüsselt, der die Myelinbildung im Frontallappen bremst“ resümiert Cryan. „Unseres Wissens nach ist das die erste Studie, die eine Verbindung zwischen Mikrobiom und Myelinbildung eindeutig beweist.“ Von ihrer Entdeckung erhoffen sich die Forscher nun auch für die Therapie der Multiplen Sklerose und anderer Erkrankungen des Nervensystems, die auf Schädigungen der Myelinscheide beruhen, ganz neue Ansatzpunkte. Dabei denkt man über den Einsatz von Prae- und Probiotika sowie über Stuhlübertragungen nach, um die Zusammensetzung der Darmflora in Richtung auf einen optimalen Einfluss auf das Gehirn zu „justieren“.
 
Zukunftsmusik: Prae- und Probiotika statt Psychopharmaka?
Bis dahin bleibt allerdings noch viel zu erforschen: Cryan und sein Team planen derzeit neue Studien mit Mäusen verschiedener Altersgruppen, um herauszufinden, in welchen Lebensphasen eines Wirtes das Mikrobiom welchen Einfluss auf das Gehirn hat. „Wir wollen die grundlegenden Mechanismen verstehen: Wo im Mikrobiom liegt die Ursache für die beobachtete Wirkung“ fragt Cryan. „Sind es bestimmte Stoffwechselprodukte, die im Mikrobiom entstehen – oder ist es vielleicht ihr Fehlen – und wenn ja, ließen sich diese Substanzen z.B. mit Hilfe von Antibiotika substituieren?“ Bis dereinst vielleicht irgendwann einmal Prä- oder Probiotika Psychopharmaka ergänzen oder ersetzen, werden noch viele Jahre vergehen.
 
docFood meint
Wenn es um den möglichen therapeutischen Nutzen der Mikrobiata geht, entspringen viele Ideen von Medizinern und ERnährungstherapeuten noch dem Reich der Phantasie. Andererseits ist heute schon viel möglich – z.B. durch den Einsatz von Pre- und Probiotika im Bereich der gastroenterologischen Erkrankungen. Was alles möglich ist, darum geht es gerade mal wieder im freiraum: Im Seminar “Mikrobiota und Ernährung” geben die Oecotrophologinnen Dr. Maike Groeneveld und Ute Körner eine aktuellen Überblick über den Stand der Wissenschaft und die derzeitigen Ansatzpunkte in der therapeutischen Praxis.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Diabetes: Low Carb statt Antidiabetika

Weniger Kohlenhydrate und mehr Bewegung können selbst bei fortgeschrittenem Typ2-Diabetes bessere Ergebnisse als Antidiabetika erbringen. Das zeigt einem Bericht der ÄrzteZeitung zufolge eine neue, noch unveröffentlichte Studie, die Prof. Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum in Düsseldorf auf dem jüngsten Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) vorstellte. Ernährungsfachkräften, die sich mit kohlenhydratreduzierten Diäten bzw. Low Carb auseinandergesetzt haben, dürfte dieses als Überraschung bewertete Ergebnis nur ein müdes Lächeln entlocken.
 

Low Carb – verbesserte Werte, weniger Gewicht

Die 200 Teilnehmer der bisher noch nicht publizierten Studie zum telemedizinische Lebensstil-Interventions-Programm (TeLiPro) wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Binnen drei Monaten, so fasst es die ÄrzteZeitung in ihrem Kongressbericht zusammen, verbesserte sich der Zustand der Probanden in der Interventionsgruppe erheblich: Während der HbA1c in der Kontrollgruppe nur um 0,2 sank, ging er in der Interventionsgruppe um 1,0 Prozent zurück. Nach einem Jahr lag der HbA1c in der Interventionsgruppe immer noch um 0,7 Prozentpunkte unter dem Ausgangswert. Die Reduktion gelang, obwohl in dieser Gruppe parallel orale Antidiabetika und Insulin wegen Hypoglykämiegefahr deutlich reduziert wurden. Zudem verloren die Interventions-Patienten im Schnitt 6 kg Gewicht; ihr systolischer Blutdruck sank um 5,7 mm Hg.
 

 Diät, Motivation und Bewegung

Die Teilnehmer hatten zu Beginn der Studie im Schnitt seit elf Jahren Diabetes, wie die ÄrzteZeitung ausführt. Sie waren in der Mehrzahl adipös (mittlerer BMI 36) und hatten trotz Therapie mit zwei Antidiabetika (dazu gehörte zum Teil Insulin) keine befriedigende Stoffwechseleinstellung (HbA1c 8,3 Prozent). Die Interventionsgruppe startete mit einer Diät (eine Woche Formuladiät mit 1200 kcal/ Tag, an die sich die langsame Umstellung auf kohlenhydratarme Dauerkost anschloss – das ganze begleitet von einem Motivationstraining. Zudem wurden die Teilnehmer mit Schrittzähler und  Körperwaage ausgestattet, deren Werte automatisch an ein geschütztes Internetportal übertragen wurden. Interventions-Patienten erhielten zudem über drei Monate jede Woche ein telemedizinisches Coaching von Diabetesberaterinnen, sie nahmen strukturierte Blutzuckerselbstmessungen vor.
 

docFood meint

Es verwundert, dass die Ergebnisse der Studie von Martin als Neuigkeit gehandelt werden – predigen die Befürworter kohlenhydratreduzierter Kostformen doch schon seit Jahren die Vorteile von Low Carb, auch bei Typ 2-Diabetes und metabolischem Syndrom. So zeigte z.B. noch kürzlich eine Studie im American Journal of Clinical Nutrition die Überlegenheit einer Low Carb-Diät im Vergleich mit einer Low Fat Diät bei identischer Kalorieneinschränkung und entsprechend vergleichbarer Gewichtsreduktion. Die Low Carb-Diät erzielte – trotz deutlich stärkerer Medikamenteneinsparung – eine bessere Blutzuckerkontrolle und günstigere Blutfettwerte als eine für Diabetiker übliche fettarme, kohlenhydratbetonte Diät. Es ist nur eine von inzwischen vielen Studien, die immer wieder zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Der Ernährungswissenschaftler und Low Carb-Befürworter Prof. Nicolai Worm kommentiert die aktuelle Lage mit der Bemerkung: Trotz solcher eindeutiger Belege „erlebe ich immer noch regelmäßig, dass Schulungen, die solche Kenntnisse vermitteln, von Krankenkassen bzw. ihrem Spitzenverband pauschal abgelehnt werden. Sind Krankenkassen eigentlich an Einsparungsmöglichkeiten bei den immensen Therapiekosten von Diabetikern nicht interessiert?“ Anscheinend nicht – vor der herrschenden Lehrmeinung, getragen von der Phalanx  aus Pharmaherstellern und DGE, deren Empfehlungen zum Kohlenhydratverzehr immer noch wie in Beton gegossen stehen, kriechen offensichtlich auch die Kassen zu Kreuze – oder verschließen (wider besseres Wissen?) ganz einfach die Augen.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Metformin: Diabetesmedikament verändert Darmflora

Ernährungsfachkräfte kennen das: Diabetiker, die Metformin einnehmen, kommen mit hartnäckigen Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen in die Beratung. Beschwerden im Gastrointestinaltrakt gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen des blutzuckersenkenden Medikamentes. Wie Untersuchungen von Wissenschaftlern am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg zeigen, könnten die Ursache sowohl für die Wirkung als auch für die Nebenwirkungen des Arzneistoffs von der Darmflora vermittelt sein. Aus den Ergebnissen leiten die Wissenschaftler die Hoffnung ab, dass sich durch die Beeinflussung der Darmflora Nebenwirkungen  des Metformins und auch anderer Medikamente minimieren lassen.   
 
Die Forscher um Studienleiter Peer Bork und Oluf Pedersen verglichen Stuhlproben von mehr als 700 Personen, unter ihnen sowohl Patienten mit Diabetes Typ 2 als auch gesunde Probanden. Dabei stellte sich das Team unter anderem die Frage, ob sich anhand der Zusammensetzung der Mikroben im Stuhl mit Sicherheit bestimmt lässt, ob ein Mensch an Diabetes erkrankt ist. Dabei machten die Wissenschaftler eine interessante Entdeckung: Es gibt demnach zwar offensichtlich keine spezifische Diabetiker-Darmflora – es sei denn, sie nehmen das Medikament Metformin. Mit Metformin behandelte Patienten, hatten wesentlich mehr Escherichia coli Bakterien und weniger I. Bartletti Bakterien als Gesunde und andere Patienten, die kein Metformin nahmen.
 

Medikamente: Bakterien reagieren empfindlich

“Es überrascht, dass ein einzelnes Medikament eine solch  deutliche Veränderung der Darmflora bewirken kann,” so Peer Bork, Studienleiter  am EMBL. Bedenkt man, wie viele Medikamente es gibt und wie viele Menschen täglich mehrere Medikamente einnehmen, wird Borks Ansicht nach deutlich: Wenn nur ein Bruchteil der Medikamente eine solche Wirkung hat, könnte dadurch die Darmflora entscheidend verändert werden.  Damit ist nach Borks Ansicht klar: “Die Ergebnisse veranschaulichen einmal mehr: Wir sind nicht allein. Die Medikamente, die wir einnehmen, haben nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf uns selbst. Sie können auch einen tiefgreifenden Einfluss auf unsere mikrobiellen ‚Mitbewohner’ haben!“
 

Darmflora – Ansatz für neue Therapien

Die Annahme, dass die offensichtlichen Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora  auch Auslöser für einige der Nebenwirkungen von Metformin sind – speziell der Magen-Darm-Beschwerden – bietet für die Wissenschaftler Perspektiven auf ganz neue Therapien.  Kristoffer Forslund aus der Forschungsgruppe von Peer Bork meint: “Wenn man die Nebenwirkungen minimieren möchte, könnte die Darmflora ein Ansatzpunkt sein!” Es wäre durchaus denkbar – so der Wissenschaftler – dass Patienten, die Metformin nehmen, eines Tages zum Beispiel einen Joghurt oder ein Nahrungsergänzungsmittel bekommen, um ihre Darmflora im Gleichgewicht zu halten.
 

Tipp von docFood

Am kommenden Wochenende sind die Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Darmflora wieder Thema eines Fachseminars für Ernährungsfachkräfte im freiraum. Dr. Maike Groeneveld,  Ernährungswissenschaftlerin, Douentin und Fachautorin mit eigener Praxis in Bonn und Dipl. oec. troph. Ute Körner Ernährungstherapeutin, Fachdozentin und   Buchautorin mit eigener Praxis in Bornheim referieren zum Thema “Mikrobiota und Ernährung”, bei dem die Rolle der Mikrobiota bei Diabetes ein wichtiger Teilaspekt ist. Das Seminar ist leider bereits ausgebucht. Interessierte können sich für den nächsten Termin vormerken lassen.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Ernährungsfachkräfte: Digitale Patientenakte als wichtige Hilfe

Neun von zehn Bundesbürgern wollen direkten Zugang zu ihren persönlichen Gesundheitsdaten, über die Arztpraxen, Kliniken oder andere Gesundheitseinrichtungen verfügen. Das hat eine aktuelle Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ergeben. Der Bitkom setzt sich dafür ein, dass Gesundheitsdaten auf Wunsch des Patienten in einer elektronischen Akte gespeichert werden. Der Patient soll dabei selbst entscheiden können, welche Informationen gespeichert werden und wem er diese zugänglich machen will. Die digitale Akte, über die der Patient verfügt, wäre auch für Ernährungsfachkräfte und Mitglieder anderer Gesundheitsberufe eine wichtige Hilfe.  
 
Gesundheitsdaten umfassen unter anderem Diagnosen von Ärzten, Laborergebnisse, OP-Berichte oder Röntgenbilder. „Die Patienten wollen endlich selbst Herr ihrer persönlichen Gesundheitsdaten werden“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder in der aktuellen Pressemeldung. „Die Daten von Patienten liegen an den unterschiedlichsten Stellen und es ist für die Behandelten nicht immer leicht, überhaupt an sie heranzukommen.“
 

Recht auf die eigenen Daten

Informationen aus einer Behandlungsakte können zum Beispiel bei einem Arztwechsel oder bei ergänzenden Behandlungen – z.B. im Rahmen einer Ernährungstherapie – notwendig sein. So kann sich der jeweilige Behandler anhand der Krankengeschichte sowie aktueller Befunde und Verordnungen ein besseres Bild über den Gesundheitszustand des Patienten machen. Die Behandelten haben laut Bundesdatenschutzgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch das Recht, jederzeit und „unverzüglich“ ihre Patientenakte einzusehen. Auf Wunsch müssen Kopien oder Ausdrucke angefertigt werden, die allerdings kostenpflichtig sind. Rohleder: „Arztpraxen und Kliniken sollten die Einsicht in die Behandlungsakte zu einem selbstverständlichen Service für ihre Patienten machen.“
 

Digitales Patientenfach soll kommen

Als wichtigen Schritt in diese Richtung sieht der Verband das E-Health-Gesetz, das auch die Schaffung eines digitalen Patientenfachs vorsieht. Damit können die Nutzer eigenverantwortlich Gesundheitsdaten verwalten. Dazu zählen Daten aus medizinischen Untersuchungen und Behandlungen, deren Speicherung sie zustimmten, sowie eigene Daten, die sie zum Beispiel mit Fitness-Trackern oder Gesundheits-Apps sammelten. Die Voraussetzungen für die Nutzung des Patientenfachs sollen im Rahmen der elektronischen Gesundheitskarte bis 2018 geschaffen werden.
 

docFood meint

Aktuelle Laborwerte und ärztliche Befunde sind gerade in der Ernährungstherapie wichtige Voraussetzungen für zielgerichtete Behandlung. Bei Diabetes, metabolischem Syndrom, gastrointestinalen Erkrankungen und Beschwerden und vielen anderen ernährungsmitbedingten Erkrankungen muss die Beratungskraft zwingend den Status Quo des Klienten kennen. Patienten kommen derzeit jedoch ganz ohne oder mit unvollständigen bzw. veralteten Befunden in die Sprechstunde der Ernährungsfachkraft. Bis die Daten aktualisiert bzw. vervollständigt sind, vergeht oft wertvolle Zeit. Die digitale Patientenakte – so sie denn kommt – wäre hier ein enormer Fortschritt und eine große Hilfe.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Für Patienten: Diabetes – so läuft die Behandlung

Patienten-Information.de ist ein Service der Bundesärztekammer (BÄK) und der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit dem Ziel, „verlässliche und verständliche Informationen für Patienten und Interessierte“ zu entwickeln.“Alle Informationen werden auf Grundlage von aktuellen wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen sowie den Erfahrungen und Wünschen Betroffener entwickelt.“ Aktuell ist ein neues Infor-mationsblatt zum Diabetes erschienen. Titel: Therapie des Typ-2-Diabetes – Wie läuft die Behandlung ab?
 
Auf zwei Seiten erhält der Patient einen Überblick über Ziele und Möglichkeiten der Behandlung. Das kostenlose Informationsblatt steht als Download zur Verfügung und kann auch in der Ernährungstherapie von Patienten mit Diabetes als Patienteninformation nützlich sein.
 

Gut aufbereitet – leicht verständlich

Menschen mit Typ-2-Diabetes erfahren in dem Kurzratgeber, aus welchen Stufen sich ihre Therapie zusammensetzt, und was sie selbst im Umgang mit ihrer Erkrankung tun können. Zunächst wird festgestellt: Zur Behandlung gehören Schulungen und eine Anpassung bestimmter Lebensgewohnheiten, wie zum Beispiel Ernährung und Bewegung. Medikamente werden erst verschrieben, wenn der Blutzucker trotz gesunder Lebensweise weiterhin zu hoch bleibt.“ Was die Bedeutung von Ernährung betrifft, heißt es dann weiter: „Sie sollten auf eine ausgewogene Ernährung achten. Strenge Vorschriften oder Verbote gibt es nicht. Generell gelten für Menschen mit Typ-2-Diabetes die gleichen Empfehlungen für eine vollwertige Kost wie für Menschen ohne Diabetes. Spezielle Diabetiker-Produkte oder Diät-Lebensmittel sind unnötig. Trinken Sie wenig Alkohol und rauchen Sie nicht“ Das neue Informationsblatt ist Bestandteil der Reihe “Kurzinformationen für Patienten”, die vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) erschienen im Auftrag der KBV und der Bundesärztekammer BÄK herausgegeben wird. Alle Texte beruhen auf dem besten derzeit verfügbaren Wissen. Zu ausgewählten Themen liegen frei zugängliche Übersetzungen in Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und Türkisch vor.
 

docFood meint

Der Hinweis auf die Bedeutung von Lebensstiländerungen, Ernährung und Bewegung ist gut und wichtig. Verwunderlich ist allerdings, dass die Möglichkeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, mit keinem Wort erwähnt wird. Eigentlich ist es mehr als verwunderlich – im Grunde schon fast verantwortungslos, wenn KBV und BÄK hier nicht konkret auf die Möglichkeit einer qualifizierten Ernährungstherapie hinweisen. Natürlich ist es gut, wenn im Infokasten ein Kontakt zur Selbsthilfeorganisationen vermittelt wird. Der Kontakt zu Fachverbänden der Ernährungsprofis wie VDOE und VDD hätte da ganz bestimmt auch noch hingepasst.

Dr. Friedhelm Mühleib

Keine Angst vor Lactose in Medikamenten

Was passiert, wenn Patienten mit Lactoseintoleranz Medikamente einnehmen, die Lactose enthalten? Ist es in solchen Fällen zwingend notwendig, Präparate durch alternative Produkte zu substituieren, die mit anderen Hilfsstoffen formuliert sind? Mit diesen und ähnlichen Fragen sehen sich Ernährungsfachkräfte in der Sprechstunde mit Betroffenen immer wieder konfrontiert. Professor Dr. Martin Smollich (Foto) von der Mathias-Hochschule in Rheine gibt Entwarnung.

Schätzungen zufolge sollen ca. 15 Prozent der Deutschen an Lactoseintoleranz leiden. Auslöser der Unverträglichkeit ist ein Lactasemangel, der den Abbau des Milchzucker blockiert. Die adäquate Therapie ist eine lactosearme Diät. Aufgrund seiner günstigen Eigenschaften und geringen chemischen Reaktionsfreudigkeit wird Lactose auch häufig als Hilfsstoff in der Arzneimittelherstellung eingesetzt.
 
Lactose – als Hilfsstoff in Medikamenten verbreitet
Schätzungen aus den USA gehen davon aus, dass circa 20 Prozent der verschreibungspflichtigen und 6 Prozent der OTC-Präparate Lactose enthalten. Kann die Einnahme solcher lactosehaltiger Präparate Betroffenen mit Intoleranz schaden? Prof. Dr. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, rät Ernährungsfachkräften und Betroffenen zu Entspannung:  Auch wenn diese Lactose als Hilfsstoff enthalten, so Smollich einem Vortrag vor Pharmazeuten, können Patienten solche Medikamente ohne Risiko einnehmen. Die Lactosemenge in Arzneimitteln liege in der Größenordnung von 100 Milligramm und sei damit deutlich zu gering, um Beschwerden auszulösen. Das gelte auch für Patienten, die homozygot intolerant und damit besonders anfällig seien. Symptome träten erst bei mehreren Gramm Lactose auf, erläuterte Smollich.
 
Keine Beschwerden zu erwarten
Obwohl die Datenlage eindeutig sei, sollte jedoch der Willen des Patienten maßgeblich sein: Wenn ein Patient ein lactosehaltiges Arzneimittel ablehne, weil er Sorge wegen möglicher Beschwerden habe, dann sollte ihm eine lactosefreie Alternative angeboten werden, auch wenn dies objektiv nicht notwendig sei. Wo ein solcher Nozebo-Effekt (glaubensbedingte Wahrnehmung eines gesundheitsabträglichen Effektes) auftritt, sollte er berücksichtigt werden: In Einzelfällen macht es dabei durchaus Sinn, auf eine lactoesefreie Arzneiform auszuweichen, schon um die Compliance der Patienten nicht zu gefährden. Falls keine lactosefreie Alternative zur Verfügung steht und es bei Einnahme lactosehaltiger Medikamente zu Beschwerden kommt, kann das Enzym Lactase in Form eines entsprechenden Präparats substituiert werden.
 
docFood informiert
Prof. Martin Smollich ist seit Kurzem an der Mathias Hochschule Rheine Inhaber der deutschlandweit ersten Professur für Klinische Ernährung. Der Medical Nutrition, so Smollich, geht es um optimale Abstimmung zwischen pharmakologischer Therapie und diätetischen Maßnahmen bei der Behandlung all der Erkrankungen, bei denen Ernährung eine Rolle spielt. Eine frühzeitige und auf das Krankheitsbild und die Medikation abgestimmte Ernährungstherapie führt zur Verbesserung des Ernährungszustandes u. a. bei Diabetes, Leber- und Nierenerkrankungen, Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie vielen weiteren Krankheitsbildern. Über die Hochschule hinaus vermittelt Smollich sein Wissen in Seminaren. Mehr Informationen hier bei freiraum – Fachseminare für Ernährungsprofis.

Dr. Friedhelm Mühleib