Foodwatch macht mobil gegen Mineralöl

Ende Oktober veröffentlichte die Verbraucherorganisation Foodwatch eine Liste mit Produkten, die Rückstände aus Mineralöl aufwiesen. Foodwatch zufolge war in Deutschland jedes fünfte getestete Produkt (9 von 42) mit Mineralöl-Rückständen belastet. Bei den betroffenen Produkten handelt es sich um pflanzliche Trockenprodukte: Reis, Nudeln, Haferflocken, Weizengrieß und Cornflakes. Foodwatch warnt vor dem Verzehr aller Produkte, bei denen in den getesteten Proben Rückstände von Mineralöle nachgewiesen wurden, und forderte Hersteller und Handel auf, Rückrufe zu veranlassen.
 

Verzehrswarnungen von foodwatch

Betroffen sind neben dem Hersteller Euryza, dessen belastete Reis-Marke reis-fit bei den meisten Händlern weiter im Regal steht, noch sieben andere Produkte: ●reis-fit Spitzen-Langkornreis ● Müller’s Mühle Minuten Spitzen Langkorn Reis ● Korn Mühle Weichweizen-Grieß ● Rewe Bio Weichweizengrieß ● Kellogg’s Cornflakes ● Jonas Rote Linsen ● Hahne Haferflocken ● Sweet Family Puder Zucker (Nordzucker). Inzwischen haben verschiedene Hersteller und Händler reagiert. So hat der italienische Hersteller Curti den bei Kaufland vertriebenen und ebenfalls mit Rückständen aus Mineralölen belasteten „Curtiriso Langkorn-Naturreis“ aus dem Verkauf genommen. Die Handelskette Real hat auf die Warnung von foodwatch hin den Reis-fit Lankornreis aus den Regalen genommen und ausgelistet.
 

Streit mit REWE eskaliert

Andere Anbieter sehen dagegen keinen Handlungsbedarf. So hat REWE einen von foodwatch beanstandeten Bio-Weichweizengrieß als „unbedenklich“ eingestuft und foodwatch mit „rechtlichen Schritten“ gedroht. „Rewe behält sich ausdrücklich vor, im Sinne der Verbraucher rechtliche Schritte zu prüfen“, schrieb das Unternehmen am Donnerstag auf seiner facebook-Seite. Jetzt eskaliert der Streit: Nachdem Rewe selbst bislang nicht aktiv wurde, hatte foodwatch selbst einen öffentlichen Rückruf verbreitet sowie den Verbrauchern empfohlen, bereits gekaufte Grieß-Packungen in ihre Rewe-Filialen zurückzubringen und dort den Einkaufspreis zurückzuverlangen.
 

Sind die Warnungen unverhältnismäßig?

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) als Vertretung der Lebensmittelwirtschaft wirft foodwatch ein unverhältnismäßiges Vorgehen vor: Foodwatch beurteilt demnach abweichend von objektiven, wissenschaftlichen Einschätzungen einzelne Produkte als gefährliche Lebensmittel: „Es ist unverantwortlich, dass Foodwatch ein seit fünf Jahren erfolgreich bearbeitetes Thema skandalisiert und Anlass sieht, vor Produkten zu warnen, die längst bezüglich des Risikos minimiert sind.“ Nach Ansicht des BLL sollten Verbraucher nach den Regeln für öffentliche Lebensmittelwarnungen nur dann vor Lebensmitteln gewarnt werden, wenn diese eine akute Gesundheitsgefahr bedeuten können. Verunsichernde Aktionen zur „Warnung“ vor rechtmäßigen, unbedenklichen Produkten hält der BLL für gefährlich und bedenklich: Sie „verletzen die Grundsätze des verantwortlichen Umgangs mit Lebensmitteln und verwässern die Wahrnehmung des Verbrauchers für tatsächlich begründete Warnungen.“
 

docFood meint

Die in Lebensmitteln nachweisbaren Mineralöl-Rückstände stehen unter Verdacht, krebserregend und erbgutverändernd zu sein sowie das Hormonsystem zu beeinflussen. Im Grunde ist der aktuelle Streit nur deswegen möglich, weil es immer noch keine gesetzlichen Höchst- bzw. Grenzwerte in Lebensmitteln gibt – obwohl Verbraucherschützer das seit Jahren fordern. Es gibt zwar sogenannte Richtwerte – die sind allerdings rechtlich nicht verbindlich. Nahezu alle Produkte in der Foodwatch-Untersuchung aus dem deutschen Handel halten die im Entwurf der „Mineralölverordnung“ vorgeschlagenen Richtwerte ein. Wie in Deutschland üblich, sind diese Richtwerte mit hohem Sicherheitsabschlag kalkuliert: Auch wenn ein Lebensmittel den Wert um bis zum doppelten übersteigt, besteht noch lange keine Gefahr für Leib und Leben.  So besteht beim Verzehr eines der von foodwatch monierten Produkte in haushaltsüblichen Mengen ein allenfalls ein minimales theoretisches Risiko, dass auf Grund fehlender Forschung derzeit nicht einmal beziffert werden kann. Weil dieses Risiko jedoch nicht ganz auszuschließen ist, gilt grundsätzlich: Da sich bei krebserregenden Substanzen keine gesundheitlich unbedenkliche Aufnahmemenge definieren lässt, sollten Lebensmittel möglichst null Rückstände aus Mineralöl enthalten (mehr Hintergrund zur Bewertung des Rückstandsprobleme und zum Streit um Mineralöl in Lebensmittel gibt es auf dem tellerand-Blog zu lesen.)

 Dr. Friedhelm Mühleib

Foto: reishunger.de

1 Kommentar
  1. Martin Rücker/foodwatch sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr, Mühleib,
    vielen Dank, dass Sie dieses wichtige Thema aufgegriffen haben. Finden Sie allerdings nicht, dass Sie sich im letzten Absatz selbst widersprechen?
    Sie schreiben erst: “Wie in Deutschland üblich, sind diese Richtwerte mit hohem Sicherheitsabschlag kalkuliert: Auch wenn ein Lebensmittel den Wert um bis zum doppelten übersteigt, besteht noch lange KEINE GEFAHR für Leib und Leben.”
    Und dann – zutreffend: “Da sich bei krebserregenden Substanzen KEINE GESUNDHEITLICH UNBEDENKLICHE AUFNAHMEMENGE definieren lässt, sollten Lebensmittel möglichst null Rückstände aus Mineralöl enthalten.”
    Hier geht es um vermeidbare Belastungen. Arbeiten wir daran, dass sie auch wirklich vermieden werden – ganz!
    Viele Grüße
    Martin Rücker/foodwatch

    Antworten

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