Diabetes: Skalpell statt Medikamente?
Die chirurgische Magenverkleinerung könnte für Typ 2-Diabetiker mit Adipositas in Zukunft zu einer therapeutischen Standard-Option werden. Dafür haben sich Experten internationaler Diabetesorganisationen im Rahmen des 2nd Diabetes Surgery Summit in London ausgesprochen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, haben sie schon mal entsprechende Leitlinien formuliert .
Nach einem Bericht im Online-Portal der Ärztezeitung sehen die Experten vom “2nd Diabetes Surgery Summit” eine überlegenen Wirksamkeit der metabolischen Chirurgie gegenüber medikamentöser Therapie.
Operation bereits ab einem BMI von 30
Ein bariatrischer Eingriff sollte demnach generell allen Typ-2-Diabetiker mit einem BMI ab 40 empfohlen werden, ebenso bei einem BMI ab 35, wenn sich der Blutzucker mit Arzneien und Lebensstiländerungen nicht befriedigend senken lässt. Wenn Betroffene den Blutzucker durch optimale medikamentöse Therapie einschließlich Insulin nicht in den Griff bekommen, sollte ein solcher Eingriff bereits bei einem BMI ab 30 erwogen werden. Zur Begründung der neuen Konsens-Empfehlungen beriefen sich die Experten unter anderem auf neue Langzeitdaten der STAMPEDE-Studie: Übergewichtige Zuckerkranke mit chirurgischer Magenverkleinerung bekamen in dieser Untersuchung binnen fünf Jahren ihren Stoffwechsel deutlich besser in den Griff als Patienten mit ausschließlich medikamentöser antidiabetischer Therapie.
docFood meint:
Derzeit gibt es ca. 6 Millionen Diabetiker in Deutschland, von denen 80 bis 90% übergewichtig sind. Der Anteil von adipösen Patienten darunter ( d.h. mit einem BMI über 30) dürfte erheblich. Um alle adipösen Diabetiker zu operieren, die unter die Kriterien des Londoner Experten-Konsenses fallen, müssten wahre Operations-Fabriken installiert werden. Die Zahl der Diabetiker, die demnach operiert werden sollten, dürfte weit mehr als eine Million betragen. Operiert und kassiert ist schnell. Von der eventuell lebenslang notwendigen postoperativen Betreuung – etwa zur Vermeidung oder Behandlung der häufigen ernährungsbedingten Mangelerscheinungn bzw. von eventuellen Spätfolgen und/oder vom erneuten Auftreten des Diabetes mit allen entsprechenden Konsequenzen ist in dem Bericht keine Rede. Auch in Deutschland gibt es derzeit einen deutlichen Trend, immer mehr adipöse Diabetiker zu operieren. Bevor immer mehr Krankenhäuser Operationsfabriken als Profit-Center etablieren, bedarf es noch vieler kritischer Analysen und Diskussionen zum vermeintlichen Nutzen des Verfahrens.
Dr. Friedhelm Mühleib