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Verhaltensänderung braucht Motivation

Wie können Ernährungsfachkräfte ihre Klienten zu einer gesünderen Lebensführung motivieren? Im Praxisalltag sind Veränderungen im Ernährungsverhalten und Lebensstil im Rahmen der Prävention oft ein schwieriges Unterfangen. Was für Ernährungsfachkräfte gilt, ist natürlich auch ein Thema für Ärzte. Professor Attila Altiner, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin der Rostocker Uni, spricht sich für mehr Empathie im Umgang mit den Patienten aus, um zu Veränderungen zu motivieren.
Wie motiviert ein Hausarzt Patienten zu einer gesünderen Lebensweise? Hier scheitern nach Altiners Wahrnehmung viele Kollegen, weil dies nicht vermittelt wird.
 

Positiver Zuspruch statt Zeigefinger

Ein Grund für das Scheitern liegt seiner Einschätzung nach darin, dass viele Hausärzte mit erhobenem Zeigefinger belehren und dadurch ein bestehendes schlechtes Gewissen von Patienten bestärken. Stattdessen sollten besser positive Rückmeldungen für erfolgreiche kleine Schritte gegeben werden. Gemeinsam mit dem Patienten sollte entschieden werden, welche Schritte umgesetzt werden könnten. Was Altiner für die Ärzte postuliert, gilt in gleicher Weise für Ernährungsfachkräfte gelten.
Altiner forder mehr Empathie nicht nur für die kranken Menschen, sondern auch im Rahmen der Prävention. Dafür sei eine akzeptierende und verständnisvolle Haltung erforderlich, mit der die Situation aus Sicht des Patienten betrachtet wird. Altiner: “Man muss dem Patienten helfen, Argumente für eine Änderung der Lebensführung zu finden“. Ziel sei es, Veränderungsbereitschaft zu erzeugen und die Wirksamkeit des Patientenhandelns zu stärken. Dafür müssten Allgemeinmediziner idealerweise schon in ihrer Weiterbildung geschult werden. Erschwert werde ein solcher Prozess aber dadurch, dass das deutsche Gesundheitssystem mehr auf Krankheit und weniger auf Gesunderhaltung ausgerichtet sei.
 

docFood meint

Die Erwartungen an die Leistungen von Hausärzten sind hoch. Zu ihnen gehört auch die Forderung, Menschen zu einer gesunden Lebensführung anzuhalten. Dafür jedoch sind die Allgemeinmediziner gar nicht ausgebildet. Zudem fehlt im Praxisalltag oft die Zeit, die dazu nötigen Gespräche zu führen. Alles Rahmenbedingungen die dem Hausarzt die motivierende Unterstützung für Patienten schwer macht. Vor allem im präventiven Umfeld macht es Sinn diese Aufgaben an Heilberufe im Umfeld zu delegieren. Wo es um ernährungsbedingte bzw. ernährungsmitbedingte Erkrankungen geht (Diabetes, KHK, Adipositas und Begleiterkrankungen, Fettstoffwechselstörungen etc.) ist die Ernährungsfachkraft sicherlich der richtige Ansprechpartner für die Patienten. Doch auch für die gilt: Belehrende und auf Wissensvermittlung ausgerichtete Methoden sind passé. Erfolg versprechen allein stark motivationsorientierte Methoden der Gesprächsführung und Beratung

Dr. Friedhelm Mühleib

Quelle: ÄrzteZeitung https://bit.ly/1TJ2got
Foto: Dirk Schnack

Werkzeugkoffer Ernährungsberatung (II): Rogers & Co.

Wer Ernährungsberatung betreibt, sollte Klarheit über die Methoden haben, auf deren Basis er berät. Ein sehr verbreiteter Ansatz ist der humanistische, zu dessen prominentesten Vertreter der amerikanische Psychologe Carl Rogers mit seiner Methode der nondirektiven Gesprächsführung gehört. Konzipiert für die Therapie psychischer Störungen, hat der Nicht-direktive Ansatz auch verstärkt Ansatz in die Ernährungsberatung gefunden.Dabei wird nicht das Essverhalten fokussieren – stattdessen geht es dem Therapeut zunächst darum, herauszufinden, wie die allgemeine Gefühlslage des Klienten ist, wie sein subjektiver Horizont aussieht, wie er seine Lebenssituation einschätzt.
 
Der Psychologe Prof. Christoph Klotter, Inhaber der Professur für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda, erklärt: Ein Therapeut, der mit dieser Methode arbeitet „würde nicht mit gezielten Fragen das Gespräch strukturieren, sondern den Klienten kommen lassen. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, er soll das vorbringen, was ihm auf der Seele liegt, er lenkt das Gespräch, er soll für sich gute Lösungen entwickeln. Der Gesprächspsychotherapeut sieht sich als Begleiter, nicht als Problemlöser.“

Praxistipps für die Beratung

In der Fachzeitschrift „Ernährung im Fokus“, herausgegeben vom aid (Ausg. 11-12 / 2014), gibt Klotter einen den humanistischen Ansatz Ernährungsberatung, verbunden mit einer Reihe von Praxistipps, von denen docFood bereits einige vorgestellt hat – siehe hier. Hier der zweite Teil von Klotter Empfehlungen für die Praxis:
Praxistipp 4: Wahre Motivation ergründen
Die Ernährungsberaterin muss herausfinden, ob der Wunsch nach Gewichtsabnahme nur daher rührt, dass der Klient den Erwartungen der Gesellschaft oder denen seiner Frau gerecht werden will, oder ob er es wirklich für sich will. Als Faustregel gilt: Wenn ich nur die Erwartung anderer erfüllen will, ist die Prognose für eine erfolgreiche Gewichtsabnahme nicht besonders gut. Letztlich sehe ich gar nicht richtig ein, warum ich das tun soll.
Praxistipp 5: Den Lebens¬hintergrund verstehen
Essverhalten ist nicht zu isolieren von dem, wie ich lebe, von meiner Arbeit, von meiner Familie, von meinen sozialen Kontakten, von meiner Freizeit, von meiner Work-Life-Balance, von meiner Einstellung zum Leben. Wenn ich Hartz-IV-Bezieher bin, dann ist meine Motivation zur Gewichtsabnahme möglicherweise gering, weil Essen und Trinken einer der wenigen Freuden sind, die mir das Leben bietet. Nur wenn der Klient mitbekommt, dass die Ernährungsberaterin versucht, seine gesamte Lebenssituation und seinen subjektiven Sinnhorizont zu verstehen, wird er sich richtig angenommen fühlen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass seine Lebenssituation explizit thematisiert wird, es bedeutet eher, dass sich die Ernährungsberaterin in sein Leben hinein denkt und hinein fühlt.
Praxistipp 6: Den Klienten „wachsen” lassen
Die Ernährungsberaterin muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Klient wachsen und sich selbst verwirklichen kann. Das eige-ne Essen lässt sich als Selbstverwirklichung begreifen: die eigenen Vorlieben erkunden, den eigenen Geschmackshorizont erweitern, neue Gerichte ausprobieren, für Freunde kochen, einmal auf den Bauernhof fahren, einen kleinen Garten für Ge¬müse anlegen.
Die humanistischen Psychologen argumentierten nicht nur gegen die Verhaltenstherapie. Freud warfen sie vor, ein zu negatives Menschenbild zu haben – etwa mit seiner Theorie vom Todestrieb. Davon wollten die humanistischen Psychologen nichts wissen. Für sie war der Mensch von Natur aus gut. So formuliert Rogers: „Einer der revolutionärsten Einsichten, die sich aus der klinischen Erfahrung entwickelt haben, ist die wachsende Erkenntnis: Der innerste Kern der menschlichen Natur, die am tiefsten liegenden Schichten seiner Persönlichkeit, die Grundlage seiner tierischen Natur ist von Natur aus positiv — von Grund auf sozial, vorwärtsgerichtet, rational und realistisch.”

Tipp von docFood

Wie und wann setze ich die Methode von Rogers ein und welche Alternativen stehen mir zur Verfügung. Diese und andere Fragen, die sich Beratungskräfte in der Praxis stellen, beantwortet Prof. Klotter regelmäßig in seinen Seminaren und übt mit den Teilnehmern die verschiedenen Methoden ein. Unter dem Titel „Werkzeugkoffer Ernährungsberatung“ findet das nächste am 08./09. Mai im freiraum in der Reihe Fachseminare für Ernährungsprofis statt. Der Besuch beim docFood-Partner freiraum Seminare lohnt.

Friedhelm Mühleib

Werkzeugkoffer Ernährungsberatung

Was sind die Voraussetzungen für eine gelingende Beratung? Zunächst sollte die Beratungskraft den subjektiven Bezugsrahmen des Klienten und seine Gefühlslage kennen, meint der Psychologe Prof. Christoph Klotter. Allerdings, so der Inhaber der Professur für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda, dürfen Berater „nicht nur auf der Ebene der Gefühle verbleiben; der konkrete Lebensalltag, der konkrete Essalltag gehören dazu. Ansonsten bekommen wir kein Bild davon, was unsere Klienten in ihrem Alltag machen.“ Insofern ist nach Ansicht von Klotter eine Integration von humanistischen und verhaltenstherapeutischen Elementen sinnvoll.
In der Fachzeitschrift „Ernährung im Fokus“, herausgegeben vom aid (Ausg. 11-12 / 2014), gibt Klotter einen Überblick über die wichtigsten Voraussetzungen einer gelingenden Ernährungsberatung, verbunden mit einer Reihe von Praxistipps. Im Folgenden die drei, die als Voraussetzung vielleicht am Wichtigsten sind:
 
Praxistipp 1: Mit dem Essverhalten beginnen und die Gefühlsebene integrieren
Die Ernährungsberaterin setzt natürlich beim Essverhalten an, sollte dabei gleichzeitig einen Blick für die Gefühlslage der Klientin haben, wissen, wie ihr Lebensalltag aussieht, um entsprechend beraten zu können. Die Klienten fragen nicht primär danach, welche Kompetenzen eine Disziplin hat. Wenn die Ernährungsberaterin ihnen sympathisch ist, dann erzählen sie ihr mindestens genau so viel aus ihrem Leben wie der Psychotherapeutin. Bei Letzterer haben sie womöglich mehr Angst, zu stark durchschaut zu werden. Daher ist die Ernährungsberaterin eventuell ein gutes Einstiegsangebot. Bei ihr gilt der Klient auch nicht gleich als „verrückt” oder psychisch krank. Humanistische Ansätze dage¬gen legen eine symmetrische partnerschaftlichere Beziehung zwischen Beraterin und Klient nahe. Sie sitzen sich im 90-Grad-Winkel gegenüber. Das heißt aber nicht, dass es keine Differenz gibt.
 
Praxistipp 2: Gesunde Distanz zwischen Klient und Berater wahren
Die Ernährungsberaterin steht der Klientin eventuell näher als der Arzt oder die Psychotherapeutin. Sie darf aber nicht zur Freundin werden. Freundschaft bedeutet, dass frau oder man in Sympathie beim anderen über gewisse Dinge hinweg sieht, um den anderen zu schonen, wo doch darauf näher zu schauen irgendwann sinnvoll wäre. Freundschaft meint zu wenig notwendige Distanz, meint, dass die Asymmetrie zwischen Beraterin und Klientin zu wenig sichtbar wird. Aber diese ist immer da. Die Klientin steht im Mittelpunkt, die Ernährungsberaterin berät sie und nicht umgekehrt. Beratung und Psychotherapie sollten nie allzu nett sein. Nettigkeit lullt ein, vertreibt potenziell notwendigen Konflikt und Ausein¬andersetzung. Nettigkeit verhüllt negative Gefühle. Im Beratungsprozess muss klar sein, dass auch unangenehme Dinge zur Sprache kommen können. Wenn sich Beraterin und Klient zu nahe stehen, kann das ein Hindernis sein. Nettigkeit schützt am falschen Ort.
 
Praxistipp 3: Lebensweltliche Orientierung geben
Überspitzt formuliert: Die ideale Ernährungsberaterin sollte eine Alles-könnerin sein, ohne zur Freundin zu werden. Sie muss die Klientin halten und auffangen und sie sollte über Grundlagenwissen zum psychothe¬rapeutischen Vorgehen verfügen. Dass sie auch ernährungsmedizini¬sches Wissen hat, ist selbstverständlich. Und natürlich sollte sie sich auf Ernährungsberatung verstehen. Hier kann es ab und zu gut sein, eine humanistische, lebensweltliche Orientierung mit auf den Weg zu geben.
 
Tipp von docFood
Ernährungsberatung kann nur erfolgreich sein, wenn die Beratungskraft über das Fachwissen hinaus ausreichende methodische Kenntnisse hat. Ohne den gezielten Einsatz entsprechender methodischer „Werkzeuge“ in der jeweiligen Situation bleibt der Erfolg der Beratung dem Zufall überlassen. Für Beratungskräfte, die sich hier professionalisieren wollen, bietet Prof. Klotter regelmäßig Seminare an. Unter dem Titel „Werkzeugkoffer Ernährungsberatung“ findet das nächste am 08./09. Mai im freiraum in der Reihe Fachseminare für Ernährungsprofis statt. Der Besuch beim docFood Partner freiraum Seminare lohnt.
Friedhelm Mühleib