Adipositas-OPs: mangelnde Nachsorge gefährdet Erfolg
Immer mehr Menschen leiden in Deutschland an krankhaftem Übergewicht. 2014 mussten sich gut sieben Millionen Menschen wegen Adipositas in Praxen behandeln lassen – 14 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Auch die Zahl der operativen Eingriffe zur Gewichtsreduktion wächst rasant. So hat sich die Anzahl der bariatrischen Operationen im selben Zeitraum bei den BARMER GEK Versicherten auf 1.070 Fälle mehr als versechsfacht und bei allen Krankenkassen auf 9.225 Eingriffe mehr als verfünffacht. Das geht aus dem Report Krankenhaus 2016 der BARMER GEK hervor, den die Krankenkasse aktuell vorgestellt hat.
Großer Handlungsbedarf in der Nachsorge
Große Defizite sieht der Report im Bereich der Nachsorge. „Mit einer bariatrischen Operation allein ist es bei weitem nicht getan. Wichtig ist, dass die Menschen in der Folgezeit nicht alleine gelassen werden.“, so Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK,anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung des Reports. „Ein Schlauchmagen hilft wenig, wenn ein Betroffener danach zum Beispiel große Mengen von Sprühsahne isst, um eine Kalorienzahl wie früher zu sich zu nehmen. Auf der anderen Seite kann ein Magen-Bypass einen lebensbedrohlichen Nährstoffmangel nach sich ziehen, weil die Enzyme im Dünndarm kaum mehr Zeit haben, die Nährstoffe zu spalten. Daher brauchen die Betroffenen eine dezentrale und engmaschige Nachsorge mit der Unterstützung von interdisziplinären Teams, auch in den ländlichen Regionen.“ Erklärt Strauch weiter und fügt hinzu: „Die Kliniken sollten hierzu mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort interdisziplinäre Nachsorgekonzepte entwickeln. Bei einer bariatrischen Operation und der Nachsorge bedarf es eines langen Atems. So aber besteht eine gute Chance, dass die Patientinnen und Patienten endlich wieder ein deutlich beschwerdefreieres Leben führen können und damit wieder mehr Lebensqualität gewinnen.“
docFood meint:
Tatsächlich sollte der „Atem“ in Nachsorge bariatrischer Patienten sehr lange sein – im Grunde braucht es nach einem solchen Eingriff eine lebenslange Betreuung. Eine Betreuung, die vom Hausarzt aus fachlichen und zeitlichen Gründen kaum geleistet werden kann. Hier kommt eine große Aufgabe auf Ernährungsfachkräfte zu. Strauchs Einsicht bezüglich der notwendigen Nachsorge kommt spät – doch spät ist besser als nie. Spät deshalb, weil die Kassen in der Finanzierung einer entsprechenden Nachsorge bisher eher zugeknöpft waren. So umfasst von den Kassen finanzierte Nachsorge in der Regel sechs Untersuchungstermine im ersten Jahr nach der OP, zwei Termine im zweiten Jahr und anschließend eine jährliche Konsultation. Von engmaschiger, lebenslanger Betreuung mit langem Atem kann da wohl nicht die Rede sein. Man darf gespannt sein, ob Strauchs Einsicht nun auch Taten folgen und die nötigen Mittel zur Finanzierung dieser Taten bereitgestellt werden. Die BARMER als eine der größten Ersatzkassen könnte hier ein Zeichen mit Signalcharakter setzen.
Dr. Friedhelm Mühleib