Dicke langen bei Fitness-Snacks ordentlich zu

Vielleicht sind Dicke auch deswegen dick, weil sie besonders leicht zu verführen sind. Eine aktuelle Studie gibt dieser Vermutung neue Nahrung: Stehen auf Packungen kalorienreicher Lebensmittel Begriffe wie „Fit“ oder „Fitness“ und sind zudem entsprechende Symbole wie z.B. Turnschuhe darauf abgebildet, greifen Dicke* besonders herzhaft zu: Sie lassen sich von solche Worten und Bildern auf den Etiketten verleiten, mehr zu essen als Menschen mit normalem Gewicht. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Pennsylvania State University, die im Journal of Marketing Research erschienen ist.
Viele Lebensmittel, zum Beispiel Müsliriegel, Milchprodukte oder auch Getränke werden mit dem Zusatz „Fitness“ oder „fit“ vermarktet. Das hat die Forscher um Prof. Jörg Königstorfer, Professor für Sport- und Gesundheitsmanagement an der Technischen Universität München (TUM) animiert, der Frage nachzugehen, ob und wie sich diese Labels auf das Essverhalten der Verbraucher auswirken. Tatsächlich zeigte die Fitness-Kennzeichnung Effekte – am deutlichsten bei Personen, die angegeben hatten, Probleme mit dem Gewicht zu haben und abnehmen zu wollen. „Diese Gruppe griff bei den angebotenen Snacks stärker zu als andere Studienteilnehmer. Sie nahmen zwischen 50 und 100 Kilokalorien mehr auf“, erläutert Königstorfer.
 

Studentenfutter – macht fit wie ein Turnschuh?

In ihrer Untersuchung spiegelten die Wissenschaftler vor, Geschmackstests für ein neues Studentenfutter durchzuführen. Sie gaben den Probanden acht Minuten Zeit, das Produkt zu verkosten und zu bewerten. Ein Teil der Versuchspersonen erhielt eine als „Fitness“-Studentenfutter deklarierte Packung, auf der zusätzlich ein Paar Turnschuhe abgebildet war und die etwa 800 Gramm enthielt. Dem anderen Teil präsentierten die Studienleiter eine neutrale Verpackung. Ergebnis: Die Dicken gönnten sich von den Turnschuh-Nüssen meist ein bisschen mehr.
Nach der Verkostung baten die Forscher ihre Teilnehmer auf ein Ergometer – mit der Erklärung, man wolle „die Wechselwirkung von Nahrungsaufnahme und körperlicher Bewegung untersuchen“. Dabei konnten die Probanden selbst entscheiden, wie lange und intensiv sie Rad fahren wollten. Dabei stellten die Forscher fest, dass der „Fitness“-Snack die abnehmwilligen Personen nicht nur dazu verführt hatte, mehr zu essen. „Obwohl diese Gruppe deutlich mehr Energie, also Kalorien, aufgenommen hatte, waren sie auf dem Ergometer weniger aktiv“, fasst Königstorfer zusammen. „Offenbar sehen diese Teilnehmer in der ‚fitten’ Nahrung einen Ersatz für körperliche Bewegung.“
 

Aufklärung hilft – aber richtig muss sie sein!

Schließlich untersuchten die Wissenschaftler noch den Einfluss von Informationen zum Produkt. Ein Teil der Probanden, die abnehmen wollten, erhielt Informationen über gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe wie Magnesium, Vitamin B und Ballaststoffe, während die andere Gruppe vor hohem Fett- und Fruchtzuckergehalt gewarnt wurde. Und siehe da: „Wenn wir die Versuchsteilnehmer über den hohen Energiegehalt der Nussmischung aufklärten, verlor der Begriff ‚Fitness’ seine Wirkung“, so Königstorfer. „Alle Personen, die auf ihr Gewicht achten wollten, aßen dann ähnlich viel Studentenfutter.“ Die Autoren sehen in den Ergebnissen ihrer Studie einen klaren Hinweis darauf, dass „Fitness“-Labels ein Risiko für übergewichtige Personen sind. „Für Menschen, die gerne und vielleicht auch zu viel essen, kommt das Wort ‚fit’ einem Freibrief gleich: mehr zu essen und sich weniger zu bewegen.“, resümiert Königstorfer.
 

docFood meint

Das hört sich an, als würde Königstorfer sich wünschen, dass man derlei Begriffe von den Packungen verbannt. Vielleicht würde allerdings auch helfen, schon früh mehr Goethe zu lesen, der seinen Faust sagen lässt: „Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. / Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube / Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.“ Wer früh lernt, den kritischen Verstand zu gebrauchen, den eigenen Willen zu stärken und allzu platten Botschaften zu misstrauen, fällt nicht auf Turnschuhe auf der Packung herein, beginnt selbst, wieder mehr zu laufen – und nimmt ab.

Dr. Friedhelm Mühleib

* korrekt wäre, nicht von „Dicken“ zu reden, sondern von „Personen, die angegeben hatten, Probleme mit dem Gewicht zu haben und abnehmen zu wollen“ – wie es die Pressemeldung zur Studie tut. Das zur Info für all jene Leser, die Genauigkeit beim Gebrauch der Worte lieben!
Publikation:
The Effect of Fitness Branding on Restrained Eaters’ Food Consumption and Post-Consumption Physical Activity; Joerg Koenigstorfer, Hans Baumgartner; Journal of Marketing Research; doi: 10.1509/jmr.12.0429
Quelle: Technische Universität München

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