Über zwei Mio. Menschen sind in Deutschland von einer chronischen Nierenkrankheit betroffen. Mehr als 100.000 Menschen sind abhängig von einer Dialyse und/oder warten auf eine Transplantation. Immer noch steigt die Zahl der Betroffenen – besonders gefährdet sind dabei Menschen mit Übergewicht. Am heutigen Weltnierentag weist die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) darauf hin, dass sich die Zahl der Nierengewebsschäden, die durch Übergewicht verursacht sind, in den vergangenen 30 Jahren verzehnfacht hat! Deshalb sollten Ernährungsfachkräfte z. B. im Bereich der Prävention und Therapie von Übergewicht und Adipositas schon frühzeitig auch die Nierengesundheit ins Auge fassen.
Übergewicht (BMI > 25 geht auch an die Nieren: Seit langem ist bereits ein indirekter Zusammenhang bekannt: Übergewichtige Menschen leiden oft unter Bluthochdruck – und der schädigt die feinen Blutgefäße in den Nieren, welche die Giftstoffe aus unserem Körper filtern.
Lange unterschätzt: Risikofaktor Übergewicht
Die Funktion der Nieren nimmt dann stetig ab, bis die Betroffenen eine Dialyse brauchen. Bei etwa einem Drittel aller Dialysepatienten ist ein Bluthochdruck die Ursache für das Nierenleiden. Übergewicht und Bluthochdruck kommen oft nicht allein, sondern fördern die Entstehung eines Diabetes. Ein Diabetes stellt einen zusätzlichen Risikofaktor für eine chronische Nierenkrankheit dar. Etwa 30- 40% der Diabetiker weisen Nierenschäden auf. Jedes Jahr werden mehr als 2.000 Patienten in Folge von Diabetes mellitus dialysepflichtig. Inzwischen weiß man, dass Fettleibigkeit die Nieren ganz unmittelbar schädigt. Fettgewebe sondert verschiedene Peptidhormone wie Adiponectin, Leptin und Resistin ab, die zu Entzündungen und oxidativem Stress führen, den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen und erhöhte Insulinspiegel, oft auch eine Insulinresistenz nach sich ziehen. All das sind Prozesse, die zu krankhaften Veränderungen des Nierengewebes (sogenannten Glomerulopathien) führen und in Folge zu einer Abnahme der Nierenfunktion. Wie eine aktuelle Publikation in „Kidney International“ berichtet, hat sich der Zahl der durch Übergewicht verursachten Glomerulopathien seit 1986 verzehnfacht.
Experten warnen vor „Explosion“ der Dialysezahlen
Prof. Mark Dominik Alscher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), fordert mehr Aufmerksamkeit für das Thema: „Um keine Explosion der Dialysezahlen zu erleben, müssen wir unsere Präventionsbemühungen weiter verstärken“. Zum einen müsse die Öffentlichkeit für dieses Problem sensibilisiert und die Bevölkerung zu einem gesünderen Lebensstil motiviert werden, zum anderen müssten aber auch nephrologische Früherkennungsmaßnahmen intensiviert werden. Denn wenn eine chronische Nierenerkrankung rechtzeitig erkannt wird, kann ihr Fortschreiten medikamentös verlangsamt und die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie oft über Jahre hinausgezögert werden. Alscher rät zu regelmäßigen Kontrollen der Nierenfunktion, die nicht nur bei Diabetikern und älteren Menschen, sondern auch engmaschig bei allen Patienten mit Bluthochdruck oder Übergewicht durchgeführt werden sollten. Wichtigste vorbeugende Maßnahme bleibe, so Alscher, das Körpergewicht in den Normalbereich zu bringen – und langfristig zu halten.
Therapie: Ernährung kann entscheidende Rolle spielen
Der Schlüssel zur Prävention chronischer Schäden der Niere und ihrer Verschlimmerung bis hin zum Nierenversagen liegt in der Ernährung. Worum sonst geht es, wenn ein Nephrologe dazu auffordert, das „Körpergewicht in den Normalbereich“ zu bringen? Die Ernährung spielt bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Rahmen der Gesamttherapie eine bedeutende Rolle. Neben einer Gewichtsreduktion bei vorhandenem Übergewicht ist das primäre Ziel ernährungstherapeutischer Maßnahmen die Absenkung der harnpflichtigen Substanzen im Blut, die Senkung und Normalisierung des Blutdrucks bei häufig vorhandenem Hochdruck sowie die Ausschwemmung von krankhaften Wassereinlagerungen (Ödemen). Die Vermeidung von Mangelernährung ist im fortgeschrittenen Stadium eine zusätzliche Aufgabe der Ernährungstherapie. Eine professionelle Ernährungstherapie kann das Fortschreiten der Nierenerkrankung sowie das Entstehen von Folgekrankheiten bei guter Compliance des Patienten über viele Jahre verlangsamen und hinauszögern.
docFood meint
Das Wissen darum ist leider zum einen das Wissen bei Hausärzten wie auch bei den Nephrologen als Experten gering. Zum anderen erfordert die individuelle Ernährungstherapie auch von den Fachkräften spezielle Kenntnisse, die häufig erst durch entsprechende Fortbildung erworben werden müssen. Dass Problem und Aufgabe erkannt sind, hat die Dreiländertagung von Meidzinern und Ernährungsfachkräften im vergangenen Jahr in Dresden gezeigt. Dort war man sich über den großen Nutzen einer Ernährungstherapie berufsübergreifend einig. Als Ergebnis wurde mehr und bessere Kooperation zwischen den Ärzten und Fachkräften gefordert. Passiert ist seitdem leider noch nicht viel. Eine Schwalbe macht eben noch keinen Sommer. Hier muss noch viel passieren!
Dr. Friedhelm Mühleib