Schlagwortarchiv für: marktcheck

Gelenkmittel? Kannst Du vergessen!

Wenn’s draußen feucht und kalt wird, beginnen die Knochen zu knirschen und die Gelenke zu schmerzen – und das bei Weitem nicht nur Ü 60. Häufig fängt das große Reißen in den Knochen schon in den Vierzigern und Fünfzigern an. Wenn einem derart Übles widerfährt, ist das schon den Versuch mit einem der zahlreichen Nahrungsergänzungsmittel wert, die zur Linderung entsprechender Beschwerden angepriesen werden – oder?
 
Die Verbraucherzentralen haben nun 25 Präparate aus dem derzeitigen Produktangebot in einem Marktcheck untersucht, mit vernichtendem Ergebnis. Die Bewertungen der untersuchten Produkte durch die Verbraucherschützer reichen von wirkungslos bis riskant.
 

Gesundheitliche Risiken nicht ausgeschlossen

Gelenkmittel sollen gegen Arthrose helfen oder die Knorpelmasse schützen – so die Werbung der Hersteller. Zu diesem Versprechen stellen die Verbraucherschützer zusammenfassend fest:

  • Der Nutzen der Produkte bei Gelenkerkrankungen ist fraglich, die Mittel sind häufig zu hoch dosiert und können zum Teil sogar gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
  • Anbieter von Gelenkmitteln zur Nahrungsergänzung dürfen die Hauptwirkstoffe Glucosamin und Chondroitin nicht mit Gesundheitsversprechen bewerben.
  • Besonders Produkte aus dem Internet verheißen aber oft mehr gesundheitlichen Nutzen als belegt und erlaubt ist.
  • Bei bestimmten Krankheiten und Allergien können die Mittel sogar gefährlich sein.

 

Wirkung ist nicht nachgewiesen

Die EU verbietet die Bewerbung von Glucosamin und Chondroitin mit Gesundheitsversprechen, weil die gesundheitliche Wirkung nicht bewiesen ist. Doch nach den Ergebnissen der Verbraucherzentrale halten sich bei weitem nicht alle Anbieter an dieses Verbot. Besonders Produkte aus dem Internet verheißen den Erkenntnissen der Tester zufolge oft mehr gesundheitlichen Nutzen als belegt und erlaubt ist. So fanden die Verbraucherschützer im Rahmen des Projekts „Klartext Nahrungsergänzung“ bei 73 Prozent der im Internet angebotenen Produkte gesundheitsbezogene Angaben, die nicht zugelassen sind. Klärungsbedarf hinsichtlich der Zulässigkeit der Werbeaussagen besteht demnach auch bei fast der Hälfte der im stationären Handel angebotenen Produkte.
 

Gesetzliche Höchstmengen fehlen

Die Verbraucherzentralen mahnen des weiteren an: „Gesetzliche Höchstmengen gibt es für Glucosamin und Chondroitin nicht. Die Europäische Arzneimittelagentur hat bei einem Arzneimittel eine Dosierung von 1.250 mg Glucosamin pro Tag als pharmakologisch wirksam beurteilt. Bei mehr als der Hälfte der Nahrungsergänzungsmittel aus dem Internet lag die empfohlene Tagesdosis knapp über oder unter diesem Wert. Die Anbieter umgehen so die Prüf- und Nachweispflichten, die für Arzneimittel vorgeschrieben sind.“ Riskant können die Nebenwirkungen von Gelenkmitteln vor allem für Menschen werden, die unter Diabetes leiden, Blutgerinnungshemmer einnehmen oder allergisch auf Krebstier- oder Fischeiweiß reagieren. Mit Ausnahme der Allergenkennzeichnung sind diese Hinweise nicht gesetzlich vorgeschrieben.
 

Verbraucherzentralen fordern mehr Kontrolle

Um mehr Transparenz für Verbraucher zu schaffen, fordern die Verbraucherzentralen strengere gesetzliche Regelungen und Kontrollen für Gelenkmittel. Die Forderungen im Einzelnen:

  • Alle in Deutschland angebotenen Nahrungsergänzungsmittel müssen vor der Markteinführung behördlich auf Sicherheit und Richtigkeit der Werbeaussagen geprüft werden.
  • Die Überwachungsbehörden sind gefordert, gemäß der Health-Claims-Verordnung unzulässige Gesundheitsversprechen in größerem Umfang zu ahnden.
  • Hinweise zu Risiken und unerwünschten Wirkungen müssten gesetzlich vorgeschrieben werden.
  • Der Gesetzgeber sollte Höchstmengen für Glucosamin und Chondroitin in Nahrungsergänzungsmitteln festlegen und die zuständigen Überwachungsbehörden müssten Verstöße ahnden.
  • Verbraucher müssen besser über mögliche Risiken und wirksame Alternativen wie das Vermeiden von Übergewicht und regelmäßige Bewegung aufgeklärt werden.

Den ausführlichen Ergebnisbericht mit einer Übersicht der untersuchten Produkte (S. 23 – 25) können Sie hier herunterladen.

Dr. Friedhelm Mühleib

Quelle: Marktcheck der Verbraucherzentralen

Wie fair ist fair?

Lebensmittel, fair gehandelt – das hört sich gut an. Wenn noch ein Fairtrade Siegel auf dem Produkt klebt, dann sollte alles richtig sein. Also Bahn frei für einen guten und politisch korrekten Kauf? Beileibe nicht, wie ein aktueller Marktcheck der Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh) am Beispiel von 31 Lebensmitteln aus Supermärkten, Drogerien oder Weltläden jetzt ergeben hat.
„Die ausgelobten fairen Eigenschaften von Lebensmitteln können Sie als Konsument nicht überprüfen. Es handelt sich um sogenannte Vertrauenseigenschaften. Daher haben Anbieter dieser Produkte aus unserer Sicht eine Bringschuld: Sie müssen die Kriterien für die Label oder das Wörtchen „Fair” im Produkt- bzw. Unternehmensnamen erläutern sowie die Herkunft der Rohstoffe nachvollziehbar und transparent machen. Eine klare Kennzeichnung ist das A und O, doch daran mangelt es oft.“ So kommentiert die vzhh die Ergebnisse. Bei der Hälfte der untersuchten Produkte gab es Mängel. Dabei beanstandet die vzhh insbesondere:
 
● Kennzeichnung: Zu klein, mangelhaft oder gar nicht erst vorhanden
Die Lesbarkeit der Zutatenliste lässt auf vielen Produktverpackungen zu wünschen übrig. Informationen zum fair gehandelten Anteil von Inhaltsstoffen werden so zum reinen Suchspiel. Minischrift und schwierig zu entziffernde Symbolik sind an der Tagesordnung. Doch es gibt auch Lichtblicke: „Einige vorbildliche Beispiele sind schon jetzt am Markt erhältlich“, lobt die vzhh.
 
Siegelwirrwarr
Die Siegel im Fairtrade Bereich sind inflationär. Allein 27 (!) unterschiedliche Siegel, Markennamen oder Auslobungen sowie teilweise auch Doppelkennzeichnungen mit Hinweisen auf eine faire Produktion wurden auf nur 31 Produkten gefunden. Klarheit sieht anders aus! Ein einheitliches, staatlich kontrolliertes Zeichen wie das Umweltzeichen „Blauer Engel“ mit nachprüfbaren Standards würde für mehr Transparenz beim Einkauf sorgen.
 
● Verwässerte Standards
Welcher Aufkleber bedeutet was, wofür steht er und was garantiert er? Oft ist nicht transparent, welche Standards hinter welchen Siegeln stecken. Manchmal ist die Herkunft der Rohstoffe nicht nachvollziehbar oder unauffindbar im Kleingedruckten versteckt. Dasselbe gilt für den prozentualen Anteil des Produktes, der tatsächlich fair gehandelt wurde. Die vzhh meint: Das ist den Konsumenten gegenüber alles andere als fair!
 
● Verschwiegener Mengenausgleich
Besonders kritisch sehen die Verbraucherschützer den sogenannten „Mengenausgleich“. Der muss in Deutschland nämlich auf dem Etikett ausgelobt werden. Diese Kennzeichnung fehlt häufig. Mengenausgleich bedeutet, dass im Erzeugerland faire mit konventionellen Produkten gemischt werden. Denn oft lohnt sich die Verarbeitung der geringen fairen Mengen als gesonderte Charge nicht. Dadurch gelangen auch konventionelle Rohstoffe in das Produkt. Nur der aus den verfügbaren Rohstoffen errechnete Anteil des Enderzeugnisses darf dann als fair gekennzeichnet werden: Während dann im Kleingedruckten irgendwo steht: “xx% fair gehandelter Anteil“, verlässt sich der Verbraucher oft auf das Siegel vorne drauf und glaubt, ein 100% fair gehandeltes Produkt zu kaufen. Besonders Kakao, Zucker und Tee unterliegen oft diesem Mengenausgleich. Wenn vorne Fairtrade draufsteht und hinten heißt es dann „20% fair gehandelter Anteil“, ist das bei Mischprodukten zwar gesetzlich erlaubt. Klarer und transparenter wäre es, den Anteil auch im Logo zu nennen, wie die Verbraucherzentrale meint.
 
● Der Trick mit dem Wasser
Der faire Anteil wird gerne künstlich erhöht, indem man bei flüssigen Produkten den Wasseranteil herausrechnet. So kann sich der Fairtrade-Anteil von einem Eiskaffee schon mal verzehnfachen – wie im Marktcheck der vzhh passiert.
 
docFood meint:
Faire Handels- und Produktionsbedingungen in den Erzeugerländern zu unterstützen, ist wichtig. Der aktuelle Marktcheck zeigt zwar bei vielen Produkten mit Fairtrade-Siegeln Mängel auf, doch auch die Verbraucherzentrale resümiert: „Das Glas ist halbvoll.“ Viele Firmen reagierten auf die Kritik der vzhh einsichtig und die meisten gelobten Besserung, indem sie zukünftig für bessere Lesbarkeit sorgen oder mehr Transparenz bei den Herkunftsangaben schaffen wollen. Das ist doch mal eine faire Reaktion – und lässt uns hoffen.
 
Wer sich für die Details der Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg interessiert, erfährt hier mehr.