Ernährungstherapie und Medizin: Der Weg ist noch weit
Der Marburger Internist, Ernährungsmediziner und Gesundheitsökonom Dr. Charles C. Adarkwah macht sich im Interview mit Dr. Friedhelm Mühleib für mehr Kooperation zwischen Ärzten und Ernährungsfachkräften stark. In Grußworten zu Kongressen, in denen es um die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Ernährungsfachkräften geht, ist oft zu lesen: Mediziner und Ernährungstherapeuten sollten eine partnerschaftliche Behandlung von Patienten mit ernährungsbedingten Erkrankungen intensivieren und aufeinander abstimmen. Es gelte, gegenseitiges Verständnis auf- und auszubauen und das synergistische Potenzial einer organspezifischen Behandlung, kombiniert mit gezielter Ernährungstherapie, auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz besser zu nutzen.
Der Praxisalltag von Medizinern und Ernährungsfachkräften ist von derart konstruktiver Zusammenarbeit fast überall noch weit entfernt. Allerdings findet inzwischen vor allem unter jüngeren Medizinern ein Umdenken statt. Dr. Charles C. Adarkwah macht sich für mehr Zusammenarbeit stark:
docFood: Die Zusammenarbeit zwischen Ernährungsfachkräften und Medizinern wird immer wieder öffentlich gefordert. Bei der Umsetzung in die Praxis allerdings hakt es – woran liegt das?
Dr. Adarkwah: Eine wesentliche Ursache liegt sicher darin, dass die Ernährungsmedizin in der Ausbildung von Medizinern kaum eine Rolle spielt. Im klassischen Medizinstudium kommt die Ernährung praktisch nicht vor. Wenn überhaupt, dann kommen ernährungsmedizinische Aspekte erst in der Weiterbildung zum Facharzt zum Tragen – und das dann auch dort in der Regel nur sehr rudimentär. Dementsprechend ist das Bewusstsein in der Ärzteschaft, dass ernährungsmedizinische Aspekte bei verschiedenen Erkrankungen eine doch zum Teil recht große Rolle spielen, leider nur sehr schwach ausgeprägt.
dF: Wie lässt sich mehr Zusammenarbeit fördern?
Dr. Adarkwah: Indem man z.B. die vielen Missverständnisse aufklärt, die auf beiden Seiten bestehen – bei Ernährungsfachkräften auf der einen und Medizinern auf der anderen. Ganz grundsätzlich fehlt da oft schon das Wissen, die Einsicht und das Verständnis dafür, was die anderen genau machen. Schon das würde helfen, viele Vorurteile abzubauen. Wichtig wäre die Erkenntnis: Wir nehmen uns ja gegenseitig nichts weg. Medizinern z. B. fehlt häufig Zeit, Motivation und Hintergrundwissen, um sich mit den Patienten bei entsprechenden Krankheiten intensiv über deren Ernährung auseinanderzusetzen und zu versuchen, im Rahmen von Lifestyle-Modifikationen eine Besserung der Therapieergebnisse zu erreichen. Da bringen Ernährungsfachkräfte einfach ein viel größeres Detailwissen mit. Die können Patienten ganz anders instruieren. Das sind für mich komplementäre Elemente, die gut zusammenspielen könnten.
dF: Warum funktioniert das in der Praxis derzeit noch viel zu wenig?
Dr. Adarkwah: Ich habe manchmal den Eindruck, dass es eine gewisse Form von Konkurrenzdenken gibt – durchaus auf beiden Seiten. Viele Kollegen haben vielleicht die Befürchtung dass sie etwas an Kompetenz und Autorität abgeben, wenn sie Patienten in die Hände von jemandem geben, der sich in gewissen Teilbereichen besser auskennt. Das ist aber im Prinzip ein tagtägliches Phänomen: Wenn man sich zum Beispiel das Patientenkollektiv einer hausärztlichen Praxis anschaut, dann kann man als Allgemeinmediziner nicht jede Erkrankung bis ins kleinste Detail behandeln, so dass man immer wieder Patienten mit speziellen Indikationen zu anderen Fachkollegen schickt. Und ähnlich müsste das auch gemacht werden, wenn es um ernährungsmedizinische Aspekte geht, dass man sich auch dafür die Expertise holt. Dafür müsste das Thema allerdings von Seiten der Ärzte etwas ernster genommen werden. Daran hapert es noch.
dF: Was hindert die Ärzte daran, die Kompetenz von Ernährungsfachkräften mehr zu nutzen?
Dr. Adarkwah: Ich glaube, dass es dabei um die Erhaltung und Autonomie von Therapiekontrolle geht. Die gibt man ja dann ein Stück weit in die Hände eines Mit-Behandlers, dessen Einfluss man als Arzt dann nicht mehr kontrollieren kann. Andererseit kommt multimodalen Therapiekonzepten in vielen Bereichen der Medizin immer größere Bedeutung zu. Viele Erkrankungen und medizinischen Probleme brauchen den multiprofessionellen Ansatz in der Therapie – mit Beteiligung aller betroffenen Disziplinen . Aber das ist etwas, was erst langsam entsteht. Auch in anderen Bereichen wie z. B. der Palliativmedizin hat es Jahre gedauert bis man solche Strukturen geschaffen hat. Ich glaube bis dahin ist es auch in der Kooperation zwischen Medizin unbd Ernährungstherapie ein harter und langer Weg.
Das Gespräch führte Dr. Friedhelm Mühleib
Dr. Charles C. Adarkwah studierte Humanmedizin an den Universitäten Gießen, Köln und Bonn mit Studienaufenthalten an der Harvard Medical School, Boston, der Yale University, New Haven, sowie der Cornell University, New York. Er studierte Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der Maastricht University, NL und schloss mit dem Master of Science (M.Sc.) ab. Seine Master-Thesis wurde mit dem Preis für die beste Master-Arbeit im Bereich der Gesundheitswissenschaften im Abschlussjahr ausgezeichnet. Seine klinische Ausbildung erhielt Dr. Adarkwah am Universitätsklinikum Aachen im Bereich der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Endokrinologie. Hier erfolgte eine umfassende Weiterbildung im Bereich der Ernährungsmedizin (unter Frau Prof. Metzner), welche Dr. Adarkwah im Jahr 2011 mit dem Erwerb der Zusatzbezeichnung „Ernährungsmedizin“ abschloss. Seit 2012 ist er in einer großen allgemeinmedizinisch-internistischen Praxis im Kreis Siegen tätig. Die Ernährungsmedizin macht einen Schwerpunkt seiner täglichen Arbeit aus. Darüber hinaus ist Dr. Adarkwah wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeinmedizin der Universität Marburg und am Lehrstuhl für Public Health Technology Assessment der Maastricht University.