Säure-Basen-Haushalt: Übersäuerung fördert Osteoporose
Wenn im Volksmund und der Laienmedizin von „Übersäuerung“ geredet wird, ist in der Regel die (chronische) metabolische Azidose (cmA) gemeint. Während die Warnungen aus dem Bereich der Naturheilkunde vor den schädlichen Folgen einer „Übersäuerung“ von der Schulmedizin lange Zeit als kompletter Unsinn abgetan wurden, zeigt die wissenschaftlich-medizinische Forschung inzwischen mehr und mehr die klinische Relevanz des Phänomens.
In einer aktuellen Übersichtsarbeit im Webportal journalmed.de stellen die Autoren Prof. Dr. med. P.M. Jehle und Anna M. Jehle zunächst die systemischen Auswirkungen der cmA auf den Gesamtorganismus dar, um dann speziell auf die Beeinträchtigungen des Knochenstoffwechsels Knochenstoffwechsel einzugehen.
Wie Übersäuerung dem Körper schadet
Demnach führen die Effekte der metabolischen Azidose auf Körper und Stoffwechsel zu einer Vielfalt von teilweise schwerwiegenden Veränderungen und Folgekrankheiten mit einem breiten Spektrum an Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme, Hormone, Ernährung und den Knochenstoffwechsel, wie die Grafik anschaulich darstellt.
Grafik: Prof. Dr. med. P.M. Jehle und Anna M. Jehle
Klinisch stehen die negativen Einflüsse der cmA auf die Ernährung häufig im Vordergrund. Während Patienten über Appetitlosigkeit und Übelkeit klagen, kommt es zu einer Herabsetzung der Eiweißbildung bei gleichzeitiger Erhöhung des Proteinabbaus. Dieser Proteinverlust führt zu einer rasch eintretenden Eiweißmangelernährung und hat unmittelbare Auswirkungen auf Immunabwehr und Muskulatur.
Knochenstoffwechsel besonders gefährdet
Oft schleichend und vom Patienten unbemerkt, führt die cmA nach den Ausführungen der Autoren zu einer erheblichen Veränderung des Knochenstoffwechsels: „Durch das Erschöpfen des Bikarbonatpuffers im Knochen und den verstärkten ossären Ausstrom von Kalzium kommt es zu einem progredienten Verlust an Knochenmasse. Bei Kindern werden Wachstumsstörungen und Minderwuchs beobachtet. Die schädlichen Auswirkungen der cmA auf den Knochen bestehen in einer Hemmung der Mineralisation, einer Erhöhung des Knochenumsatzes sowie einem kontinuierlichen Knochenschwund. Dies führt zu einer Verminderung der Calcitriolspiegel und verstärkt zusätzlich die oben beschriebenen schädlichen Auswirkungen auf die Knochenmineralisation. CKD-Patienten weisen in der Regel einen Hyperparathyreoidismus auf.“ Fazit der Studien aus den letzten Jahren ist, dass eine chronische Übersäuerung die Knochenmineralisierung verschlechtert und zu einem signifikanten Knochenverlust führt. Als einen von vielen Belegen zitieren die Autoren eine in diesem Jahr veröffentlichte große US-amerikanischen Querschnittsstudie an über 9.724 Teilnehmern der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) aus den Jahren 1999 – 2004. Die Auswertung dieser Studie hat gezeigt, dass sowohl Männer als auch Frauen mit niedrigeren Bicarbonatspiegeln im Serum eine niedrigere Knochendichte der Lendenwirbelsäule aufwiesen.
docFood empfiehlt: Seminar zum Thema
Die Erforschung der cmA bringt in den letzten Jahren ständig neue Erkenntnisse über ihre Folgen für die Gesundheit. Parallel zum neuen Interesse der Wissenschaft am Thema „Übersäuerung“ geistert seit vielen Jahren viel Unsinn durch die populärmedizinische Laienpresse und verunsichert viele Patienten und Verbraucher: Dabei wird eine Übersäuerung des Organismus durch sogenannte „Säurebildner“ als Ursache einer Reihe von Erkrankungen bis hin zu Krebs und Demenz angesehen. Gerade für Fachkräfte in der Ernährungsberatung ist es wichtig, hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Das leistet ein Seminar unter dem Titel „Säure-Basen-Haushalt: Wahrheit und Dichtung“ von Prof. Dr. Roswitha Siener, Oecotrophologin mit vielen Jahren urologischer Praxiserfahrung und klinischem Arbeitsschwerpunkt auf dem Säure-Basen-Haushalt. Im Rahmen der ‚freiraum-Fachseminare für Ernährungsprofis‘, legt sie einerseits dar, was von den verschiedenen Aussagen zum Säure-Basen-Haushalt wissenschaftlich haltbar ist und was ins Reich der medizinischen Märchen gehört. Anderseits gibt sie klare und begründete Empfehlungen für die Therapie – z.B. im Rahmen einer diätetsichen Behandlung
Dr. Friedhelm Mühleib
Quelle / Originalarbeit: Jehle AM, Jehle PM: Metabolische Azidose: Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Jg. 44, S. 403-409 (2015), Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle GmbH & Co. KG