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Ernährungsberatung: „Wir brauchen mehr Selbstbewusstsein!“

In einem der letzten Beiträge berichtete docFood über die Kritik des Verbandes der Diätassistenten in Deutschland (VDD) an zahllosen selbsternannten „Ernährungsberatern“ die ihre Dienste z. T. ohne jegliche geprüfte Qualifizierung anbieten – was möglich ist, weil die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist. docFood spricht im folgenden Interview mit Birgit Blumenschein (Foto) über die Stellung von Ernährungsfachkräften in Deutschland und die Frage, ob der Begriff „Diätassistent(in)“ für das Image der Ernährungsberatung kontraproduktiv ist. „Wir brauchen  mehr Selbstbewusstsein und sollten stolz auf unsere Ausbildung und unsere Fähigkeiten sein – und entsprechend mehr über Ernährungsthemen reden statt über Berufsnamen.“ meint die selbstständige Diätassistentin mit eigener Praxis in Münster, die seit vielen Jahren aktives Mitglied des VDD ist. Zudem ist die Dipl. Medizinpädagogin als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der praxisHochschule Rheine, Studiengang Clinical Nutrition tätig und Mitautorin des Standardwerkes „Erfolgreich selbstständig als Ernährungsfachkraft“.
 
dF: Frau Blumenschein, die aktuelle Pressemeldung des VDD beklagt den Missbrauch, der mit dem Begriff Ernährungsberater betrieben wird. Trägt daran die unglückliche Berufsbezeichnung Diätassistent(in) schuld? Mit dem Begriff Diätassistent(in) (DA)verbinden Verbraucher bis heute wohl eher eine Person, die bei einer Diät assistiert als jemanden, der qualitätsgesicherte Ernährungsberatung betreibt.
Blumenschein: Es kommt vielen so vor, dass der Begriff “assistent” lediglich eine assistierende und damit nicht eigenverantwortliche Tätigkeit in der Diätetik und Ernährungsmedizin suggeriert. Das ist aber ganz und gar nicht so. Gemäß Berufsgesetz sind Diätassistenten verpflichtet, eigenverantwortlich und selbstständig entsprechende ernährungsmedizinische und diätetische Maßnahmen zu planen, durchzuführen und zu überwachen. Andere medizinische Fachberufe wie etwa die Pharmazeuitisch- und Medizinisch-technischen Assistenten (PTAs und MTAs)  – bei denen es übrigens keine solche “Namensdiskussionen” gibt – führen auch den „Assistenten“ im Namen und üben auf Anordnung des Arztes/der Ärztin eine verantwortungsvolle Tätigkeit aus. Sie tun das mit dem Selbstverständnis, dass es ohne ihre Zuarbeit keine Diagnosen und keine Therapieplanungen gäbe. Das ist manchen meiner Kolleginnen /Kollegen in ihrer täglichen Arbeit im ärztlichen und therapeutischen Kontext scheinbar nicht immer so deutlich. Allerdings hat der Wissenschaftsrat schon lange angeregt, die Berufsnamen der “Assistenzberufe” zu modifizieren, um ihren verantwortungsvollen Tätigkeiten auch “objektiv” gerecht werden zu können und Irritationen auszuschließen.
dF: Hätte man die Psychologen bei der Festlegung der Berufsbezeichnung Seelenklempner genannt, würde sich wohl niemand behandeln lassen.. Für das Marketing der Berufsgruppe ist die Bezeichnung DA im Grunde geschäftsschädigend. Gibt es Wege aus dieser ‘Bezeichnungsfalle’ ?
Blumenschein: Auch wenn das Beispiel witzig klingen mag und zudem plakativ ist, sehe ich das durchaus anders. Eine Berufsbezeichnung alleine ist weder Garantie für Qualität noch für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäftes oder Angebotes. Auf die Oecotrophologen, die in Ernährungstherapie und –beratung tätig sind, trifft das ja eigentlich genauso zu. Auch der Begriff Oecotrophologe wird von Klienten/Kunden häufig hinterfragt. Ich denke, wir brauchen in allererster Linie mehr Selbstbewusstsein. Wir sollten stolz auf unsere Ausbildung und unsere Fähigkeiten sein – und entsprechend mehr über Ernährungsthemen reden statt über Berufsnamen. Dann würden Verbraucher mit unseren Themen sofort die qualifizierte Ernährungsfachkraft verknüpfen und gar nicht erst über die “Assistenten” nachdenken.
dF: Es gab doch schon früher Versuche, die Bezeichnung zu ändern oder zu modifizieren. Warum waren die bis heute nicht erfolgreich?
Blumenschein: Bisherige Versuche sind u.a. am Gesetzgeber gescheitert. Der steht in Deutschland auf dem Standpunkt, dass ohne definierten Grund – wie etwa eine gravierende Ausbildungsänderung – der gesetzlich geschützte Berufsname nicht geändert werden kann und soll. Der Gesetzgeber hat bereits in 2010 Vertretern des Berufsverbandes mitgeteilt, er sehe keine Notwendigkeit, einzig auf der Basis des Argumentes dass “der Name die Patienten irritiert” eine dermaßen tiefgreifende Änderung herbeizuführen. Um einer anderen Berufsbezeichung willen nun unsere Ausbildung zu ändern, macht aus meiner Sicht allerdings wenig Sinn. Der VDD und viele Diätassistenten tun schon seit Jahren Gutes, in dem sie sich im klinischen und ambulanten Bereich durch ihre leistung profilieren und qualifizierte Ernährungsberatung täglich praktizieren. Es geht uns weniger um den Namen als darum, zu zeigen, dass die Arbeit in der Ernährungsberatung/-medizin und Diätetik eben nicht von jedem erledigt werden kann, nur weil er auch isst und trinkt.
dF:  Müssten sich nicht über den VDD hinaus alle Akteure im Bereich der qualifizierten Ernährungstherapie und -beratung  zusammentun, um die Sache gemeinsam voranzubringen?
Blumenschein: Da müsste zunächst definiert werden, zu diesen Akteuren tatsächlich dazugehört. Zu den typischen, durch staatlich anerkannte Ausbildung bzw. Studium absolvierten definierten „Ernährungsfachkräften“ gehören in Deutschland  in erster Linie Diätassistenten und Oecotrophologen. Zugehörig und über Zertifikate auch bei Krankenkassen anerkannt sind z.B. Bachelor/Master of Science mit Schwerpunkt Lebensmittel und Ernährung, Diplom-Ingenieure mit Schwerpunkt Ernährung. Alle diese Berufsgruppenangehörigen werden (oft mit entsprechender Zusatzqualifikation) formal als „Ernährungsfachkraft“ anerkannt. Die Mitglieder dieser Berufsgruppen zusammen zu bringen, um den Gedanken der qualitätsgesicherten Ernährungsberatung – und therapie voranzubringen, wäre sicherlich schwierig – aber nicht undenkbar. Dahinter müsste das Ziel stehen, sich im Einsatz für die qualitätsgesicherte Ernährungsberatung nicht auf Namen oder Berufsbezeichnungen zu reduzieren, sondern gemeinsam Inhalte, Fähigkeiten und Tätigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Damit wäre schon viel erreicht.
dF: Frau Blumenschein, ich danke Ihnen für das Gespräch
 
Mehr über Birgit Blumenschein auf Ihrer Website
 

 Dr. Friedhelm Mühleib

Adipositas-OPs: mangelnde Nachsorge gefährdet Erfolg

Immer mehr Menschen leiden in Deutschland an krankhaftem Übergewicht. 2014 mussten sich gut sieben Millionen Menschen wegen Adipositas in Praxen behandeln lassen – 14 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Auch die Zahl der operativen Eingriffe zur Gewichtsreduktion wächst rasant. So hat sich die Anzahl der bariatrischen Operationen im selben Zeitraum bei den BARMER GEK Versicherten auf 1.070 Fälle mehr als versechsfacht und bei allen Krankenkassen auf 9.225 Eingriffe mehr als verfünffacht. Das geht aus dem Report Krankenhaus 2016 der BARMER GEK hervor, den die Krankenkasse aktuell vorgestellt hat.
 

Großer Handlungsbedarf in der Nachsorge

Große Defizite sieht der Report im Bereich der Nachsorge. „Mit einer bariatrischen Operation allein ist es bei weitem nicht getan. Wichtig ist, dass die Menschen in der Folgezeit nicht alleine gelassen werden.“, so Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK,anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung des Reports. „Ein Schlauchmagen hilft wenig, wenn ein Betroffener danach zum Beispiel große Mengen von Sprühsahne isst, um eine Kalorienzahl wie früher zu sich zu nehmen. Auf der anderen Seite kann ein Magen-Bypass einen lebensbedrohlichen Nährstoffmangel nach sich ziehen, weil die Enzyme im Dünndarm kaum mehr Zeit haben, die Nährstoffe zu spalten. Daher brauchen die Betroffenen eine dezentrale und engmaschige Nachsorge mit der Unterstützung von interdisziplinären Teams, auch in den ländlichen Regionen.“ Erklärt Strauch weiter und fügt hinzu: „Die Kliniken sollten hierzu mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort interdisziplinäre Nachsorgekonzepte entwickeln. Bei einer bariatrischen Operation und der Nachsorge bedarf es eines langen Atems. So aber besteht eine gute Chance, dass die Patientinnen und Patienten endlich wieder ein deutlich beschwerdefreieres Leben führen können und damit wieder mehr Lebensqualität gewinnen.“
 

docFood meint:

Tatsächlich sollte der „Atem“ in Nachsorge bariatrischer Patienten sehr lange sein – im Grunde braucht es nach einem solchen Eingriff eine lebenslange Betreuung. Eine Betreuung, die vom Hausarzt aus fachlichen und zeitlichen Gründen kaum geleistet werden kann. Hier kommt eine große Aufgabe auf Ernährungsfachkräfte zu. Strauchs Einsicht bezüglich der notwendigen Nachsorge kommt spät – doch spät ist besser als nie. Spät deshalb, weil die Kassen in der Finanzierung einer entsprechenden Nachsorge bisher eher zugeknöpft waren. So umfasst von den Kassen finanzierte Nachsorge in der Regel sechs Untersuchungstermine im ersten Jahr nach der OP, zwei Termine im zweiten Jahr und anschließend eine jährliche Konsultation. Von engmaschiger, lebenslanger Betreuung mit langem Atem kann da wohl nicht die Rede sein. Man darf gespannt sein, ob Strauchs Einsicht nun auch Taten folgen und die nötigen Mittel zur Finanzierung dieser Taten bereitgestellt werden. Die BARMER als eine der größten Ersatzkassen könnte hier ein Zeichen mit Signalcharakter setzen.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Hypertonie: „Wir brauchen den ganzheitlichen Blick“

Heute ist Welt-Hypertonietag: Etwa 20 bis 30 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Bluthochdruck (Hypertonie). Das ist fast jeder Dritte. Zwar erkranken vor allem ältere Menschen, aber zunehmend sind auch Jüngere betroffen. Ein unbehandelter Bluthochdruck ist Risikofaktor Nr. 1 für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit für viele Todesfälle durch Herzinfarkte und Schlaganfälle verantwortlich. Im Interview mit docFood fordert  Dr. Dr. Charles C. Adarkwah: „In der Therapie der Hypertonie brauchen wir den ganzheitlichen Blick.“
 
Dabei kritisiert der Ernährungsmediziner, Hypertensiologe und Gesundheitsökonom, dass Lifestylefaktoren wie Ernährung und Bewegung in der Therapie nach wie vor noch nicht den Stellenwert genießen, den sie verdienen.
 
docFood: Wie wichtig es ist, Bluthochdruck früh zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, darauf will auch in diesem Jahr der heutige Welt-Hypertonietag aufmerksam machen. Gibt es – was die Behandlung des Hochdrucks betrifft – entscheidende Neuigkeiten?
Adarkwah: Die gibt es tatsächlich: Die Ergebnisse der SPRINT-Studie könnten die Behandlung des Bluthochdrucks komplett verändern. Die Studie hat gezeigt, dass eine Senkung des Blutdrucks bei Hypertonikern auf unter 120 mmHg das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall – verglichen mit einem Zielwert von 140 mmHg – deutlich vermindert und zudem die Gesamtsterblichkeit senkt. Die Ergebnisse sind so eindeutig, dass die Senkung der Zielwerte auch in Deutschland schon im Fokus der Fachgesellschaften ist. Die entscheidende Frage wird allerdings sein, wie man dieses Blutdruckziel erreicht. Sowohl bei der derzeitigen Behandlung als auch in der Diskussion der Konsequenzen für die Zukunft, sind nicht-medikamentöse Maßnahmen unterrepräsentiert. Das sollte sich ändern. Wenn wir die niedrigeren Werte erreichen wollen – was meines Erachtens sinnvoll ist – müssen wir uns noch einmal genau über den Weg dorthin Gedanken machen.
docFood:  Der Einfluss von nicht-medikamentösen Maßnahmen wie Ernährung und Bewegung auf einen zu hohen Blutdruck gilt als hilfreich, aber begrenzt. Wenn jetzt der Blutdruck noch stärker gesenkt werden soll, ist dann nicht ein noch massiverer Einsatz von Medikamenten und eine noch geringere Wertschätzung von Ernährungs- und Lifestylemodifikationen zu erwarten?
Adarkwah: Ich sehe das anders: Ernährungs-und Lifestylefaktoren kommt eine sehr große Bedeutung zu. Bei den Teilnehmern der  SPRINT-Studie wurde der Fokus zwar auf Menschen mit Bluthochdruck, aber ohne Diabetes gelegt, obwohl das Vorliegen beider Erkrankungen in der Praxis häufig vorkommt. Trotzdem hatten die Studienteilnehmer fast alle noch weitere Begleiterkrankungen. Das macht deutlich: Unsere Patienten sind komplexe Individuen, bei denen der Bluthochdruck meist nur einen Teil des gesamten  Risikoprofils darstellt. Der Gesundheitszustand eines Hypertonikers hat in der Regel mehrere Facetten und meist ist Übergewicht eine davon. Deswegen darf sich der Blick auf den Nutzen einer Ernährungs- oder Bewegungtherapie nicht alleine am quantitativen Aspekt der Drucksenkung von einigen Millimetern Quecksilbersäule orientieren, sondern muss den Benefit für den Gesamtorganismus sehen. Eine gesündere und ausgewogenere Ernährung und Gewichtsreduktion bei adipösen Hypertonikern hat eine vielschichtigere Wirkung, als es sich in einem Blutdruckwert oder einer Senkung in mmHg fassen lässt.
docFood:  Man darf die Hypertonie also nicht isoliert sehen, sondern muss sie als ein Symptom der gesundheitlichen Gesamtverfassung eines Individuums sehen?
Adarkwah: So ist es. Wir behandeln ja auch grundsätzlich keine Einzelparameter. Es geht ja in der modernen Herz-Kreislauf-Prävention immer um ein Gesamtrisiko. Überspitzt gesagt: Was interessiert mich der höhere Blutdruck per se? Er ist zunächst einmal in erster Linie ein Risiko für ein eventuelles kardiovaskuläres Ereignis, und das ist, was mich eigentlich interessiert. Da sind dann andere Faktoren neben dem erhöhten Blutdruck genauso wichtig. Wir brauchen den ganzheitlichen Blick! Das wird m.E. von einschlägigen Fachgesellschaften häufig  zu eindimensional gesehen. Und bei diesem Blick aufs Ganze spielt die Ernährungsmedizin eine nicht zu verachtende Rolle – gerade hinsichtlich ihrer langfristigen Wirkung.

 Das Interview führte Dr. Friedhelm Mühleib

 
 
Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews mit Dr. Dr. Adarkwah, in dem es um Möglichkeiten der Realisierung einer Ernährungstherapie und die Rolle von Ernährungsfachkräften geht, in den nächsten Tagen hier bei docFood.

App-solut nützlich: Ernährung für junge Familien

Das ist für alle Ernährungsfachkräfte interessant und hilfreich, die mit Schwangeren und jungen Familien mit Kindern arbeiten: Drei neue Apps unterstützen ab sofort Schwangere und junge Familien bei allen Fragen zum Thema gesunde Ernährung bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Entwickelt wurden sie vom Kompetenzzentrum für Ernährung, dem Netzwerk Gesund ins Leben und der Stiftung Kindergesundheit mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die Apps unterstützen junge und werdende Eltern mit jederzeit abrufbaren praxistauglichen Infos und Tipps und wollen damit mobile Wissenszentrale und wertvoller Ratgeber für Ernährungsfragen in dieser besonderen Lebensphase sein.
 
“Bei Frauen und jungen Familien ist der Wunsch nach glaubwürdigen Hilfestellungen aus dem Internet besonders groß”, betont Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. Informationen zu Ernährung und Bewegung in der Schwangerschaft und zum gesunden Aufwachsen in der Kindheit gibt es in Hülle und Fülle. Doch welche Quelle ist verlässlich und seriös? Die neue App-Trilogie „Schwanger & Essen“, „Baby & Essen“ und „Kind & Essen“ basiert auf aktuellen Empfehlungen der Wissenschaft und den Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben.

 

Alles, was werdende Mütter über Ernährung wissen müssen

Die erste App heißt “Schwanger & Essen” und wurde in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) in Freising entwickelt. Sie vermittelt das aktuelle Wissen von Psychologen, Ernährungsmedizinern, Hebammen und Sportwissenschaftlern. Aufgeklärt wird darüber, was Frauen schon vor der Schwangerschaft tun können. Ab wann sie sich eine Hebamme suchen sollten, ob sie Sushi oder Salami in der Schwangerschaft essen dürfen und wie viel Gewichtszunahme okay ist. Werdende Mütter brauchen eine deutlich erhöhte Menge an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit in einer Mitteilung. Umdenken müssen Frauen, die sich bis dahin häufig mit viel Junkfood und schnellen Riegeln ernährt oder die aus Rücksicht auf ihre Figur extrem auf ihr Gewicht geachtet haben.
 

Breikalkulator für Babykost

Die zweite App “Baby & Essen” behandelt Themen rund um das Stillen, Füttern und die Beikost. Sie enthält Ernährungs-Tipps und Infos zur Allergievorbeugung für stillende Mütter, Wissenswertes rund um Muttermilch und Flaschennahrung sowie Rezepte für Babys und Kleinkinder. Außer Ernährungstipps und Fachwissen gibt es Infos zu den Entwicklungsschritten des Babys, zum Beispiel krabbeln, Laufen lernen und kauen. Ein interaktiver Breikalkulator hilft beim Zusammenstellen von Mahlzeiten, die für den Entwicklungsstand des Kindes abgestimmt sind. Herausgeber dieser App ist das Netzwerk Gesund ins Leben (aid infodienst).
 

Hilfe für den Alltag mit Kleinkind

Die App “Kind & Essen” bietet Hilfe für den Alltag mit einem Kleinkind bis zu drei Jahren. “Die richtige Ernährung, Raum und Zeit für ausreichende Bewegung und ein gesunder Lebensstil ermöglichen das gesunde Aufwachsen. Gerade im Alter zwischen einem und drei Jahren ist es enorm wichtig, dass Kinder die Vielfalt von Lebensmitteln erkunden und den Geschmack unterschiedlicher Speisen mit allen Sinnen erfahren”, sagt der Kinderarzt Koletzko. Die App enthält zudem praktische Ernährungsempfehlungen sowie spezielle Rezepte für Kleinkinder und für gesundheitsfördernde Mahlzeiten. Die Eltern können mithilfe eines Ernährungs-Checks prüfen, was ihr Kind im Laufe eines Tages isst und welche Nahrungsmittel in den nächsten Mahlzeiten vorkommen sollten. Ein digitaler Notizblock stellt sicher, dass beim Einkauf nichts vergessen wird. Auch Eltern, die sich vegetarisch ernähren, finden Antworten auf ihre Fragen.
 

docFood urteilt: appsolut empfehlenswert!

Die Apps enthalten keinerlei Werbung und gewährleisten den Datenschutz, indem sie keine personenbezogenen Daten speichern und an Dritte weitergeben. Die drei Apps bauen aufeinander auf. Die Trilogie basiert auf den aktuellen Empfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben. Interaktive Features und Funktionen bieten unter anderem Ernährungs-, Bewegungs- und Gewichts-Checks, allgemeine Checklisten, Erinnerungen an Termine zu Vorsorge und Impfungen sowie Fachwissen zu Krankheiten. Sie ermöglichen auch das Anlegen von persönlichen Profilen – für die Schwangere selbst oder für die eigenen Kinder. Die Apps sind im Apple-Store und Google Play Store für die Betriebssysteme iOS und Android verfügbar.

 Redaktion docFood

Werkzeugkoffer Ernährungsberatung

Was sind die Voraussetzungen für eine gelingende Beratung? Zunächst sollte die Beratungskraft den subjektiven Bezugsrahmen des Klienten und seine Gefühlslage kennen, meint der Psychologe Prof. Christoph Klotter. Allerdings, so der Inhaber der Professur für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda, dürfen Berater „nicht nur auf der Ebene der Gefühle verbleiben; der konkrete Lebensalltag, der konkrete Essalltag gehören dazu. Ansonsten bekommen wir kein Bild davon, was unsere Klienten in ihrem Alltag machen.“ Insofern ist nach Ansicht von Klotter eine Integration von humanistischen und verhaltenstherapeutischen Elementen sinnvoll.
In der Fachzeitschrift „Ernährung im Fokus“, herausgegeben vom aid (Ausg. 11-12 / 2014), gibt Klotter einen Überblick über die wichtigsten Voraussetzungen einer gelingenden Ernährungsberatung, verbunden mit einer Reihe von Praxistipps. Im Folgenden die drei, die als Voraussetzung vielleicht am Wichtigsten sind:
 
Praxistipp 1: Mit dem Essverhalten beginnen und die Gefühlsebene integrieren
Die Ernährungsberaterin setzt natürlich beim Essverhalten an, sollte dabei gleichzeitig einen Blick für die Gefühlslage der Klientin haben, wissen, wie ihr Lebensalltag aussieht, um entsprechend beraten zu können. Die Klienten fragen nicht primär danach, welche Kompetenzen eine Disziplin hat. Wenn die Ernährungsberaterin ihnen sympathisch ist, dann erzählen sie ihr mindestens genau so viel aus ihrem Leben wie der Psychotherapeutin. Bei Letzterer haben sie womöglich mehr Angst, zu stark durchschaut zu werden. Daher ist die Ernährungsberaterin eventuell ein gutes Einstiegsangebot. Bei ihr gilt der Klient auch nicht gleich als „verrückt” oder psychisch krank. Humanistische Ansätze dage¬gen legen eine symmetrische partnerschaftlichere Beziehung zwischen Beraterin und Klient nahe. Sie sitzen sich im 90-Grad-Winkel gegenüber. Das heißt aber nicht, dass es keine Differenz gibt.
 
Praxistipp 2: Gesunde Distanz zwischen Klient und Berater wahren
Die Ernährungsberaterin steht der Klientin eventuell näher als der Arzt oder die Psychotherapeutin. Sie darf aber nicht zur Freundin werden. Freundschaft bedeutet, dass frau oder man in Sympathie beim anderen über gewisse Dinge hinweg sieht, um den anderen zu schonen, wo doch darauf näher zu schauen irgendwann sinnvoll wäre. Freundschaft meint zu wenig notwendige Distanz, meint, dass die Asymmetrie zwischen Beraterin und Klientin zu wenig sichtbar wird. Aber diese ist immer da. Die Klientin steht im Mittelpunkt, die Ernährungsberaterin berät sie und nicht umgekehrt. Beratung und Psychotherapie sollten nie allzu nett sein. Nettigkeit lullt ein, vertreibt potenziell notwendigen Konflikt und Ausein¬andersetzung. Nettigkeit verhüllt negative Gefühle. Im Beratungsprozess muss klar sein, dass auch unangenehme Dinge zur Sprache kommen können. Wenn sich Beraterin und Klient zu nahe stehen, kann das ein Hindernis sein. Nettigkeit schützt am falschen Ort.
 
Praxistipp 3: Lebensweltliche Orientierung geben
Überspitzt formuliert: Die ideale Ernährungsberaterin sollte eine Alles-könnerin sein, ohne zur Freundin zu werden. Sie muss die Klientin halten und auffangen und sie sollte über Grundlagenwissen zum psychothe¬rapeutischen Vorgehen verfügen. Dass sie auch ernährungsmedizini¬sches Wissen hat, ist selbstverständlich. Und natürlich sollte sie sich auf Ernährungsberatung verstehen. Hier kann es ab und zu gut sein, eine humanistische, lebensweltliche Orientierung mit auf den Weg zu geben.
 
Tipp von docFood
Ernährungsberatung kann nur erfolgreich sein, wenn die Beratungskraft über das Fachwissen hinaus ausreichende methodische Kenntnisse hat. Ohne den gezielten Einsatz entsprechender methodischer „Werkzeuge“ in der jeweiligen Situation bleibt der Erfolg der Beratung dem Zufall überlassen. Für Beratungskräfte, die sich hier professionalisieren wollen, bietet Prof. Klotter regelmäßig Seminare an. Unter dem Titel „Werkzeugkoffer Ernährungsberatung“ findet das nächste am 08./09. Mai im freiraum in der Reihe Fachseminare für Ernährungsprofis statt. Der Besuch beim docFood Partner freiraum Seminare lohnt.
Friedhelm Mühleib
 

Palliativversorgung – viel zu tun für die Ernährungsberatung

6.02.2015 –Die wissenschaftliche Stellungnahme “Palliativversorgung in Deutschland: Perspektiven für Praxis und Forschung” wurde heute in Berlin vorgestellt. Darin kommen Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften zu dem Fazit, dass im internationalen Vergleich “immer noch erhebliche Defizite in der Palliativversorgung” bestehen. Auch die Betreuung und Versorgung hinsichtlich einer situationsgerechten Ernährung gehört zu den defizitären Bereichen dazu.
Ziel müsse es nach Meinung der Wissenschaftler sein, eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und evidenzbasierte Palliativversorgung zu erreichen: „Palliativ Care“ im Sinne einer ganzheitliche Beratung, Begleitung und Versorgung von Patienten, die sich im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung befinden.
 
Ernährungsberatung am Ende ist aktive Lebenshilfe
Dass dabei auch die Ernährungsberatung eine wichtige Rolle spielt, betont die Ernährungstherapeutin und Pflegespezialistin Dr. Maria Bullermann-Benend im Gespräch mit docFood: „Im Zentrum von „Palliative Care“ sollte ein multidisziplinäres Team stehen – abgestimmt auf die Bedürfnisse des Patienten und unter Einbeziehung der Angehörigen. Neben Ärzten und Pflegeteam gehören stets auch Psychologen, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter und

Dr. Maria Bullermann-Bennend

Dr. Maria Bullermann-Bennend


Seelsorger zum Team. Inzwischen setzt sich in Fachkreisen die Meinung durch, dass auch ein Ernährungstherapeut unbedingt ins Team gehört. Ernäh rungsberatung in der „Palliativ Care“ ist aktive Lebenshilfe, weil Ernährung ganz viel mit einem positiven Lebensgefühl und Lebens qualität zu tun hat. Damit ist der große Anspruch an die Kreativität und Leistung der Ernährungsfachkräfte in der „Palliativ Care“ formuliert. Erhaltung von Lebensqualität – das ist das große Thema. Leider ist das uns Oecotrophologen noch viel zu wenig bewusst. Es gibt viel zu wenige Kolleginnen, die sich damit beschäftigen.“ Ein Grund für die Defizite im Bereich der Ernährungsberatung liegt sicher in der immer noch verbreiteten Unsicherheit bei Ernährungsfachkräften darüber, was richtig und was falsch ist.
 
docFood empfiehlt:

Inzwischen gibt es Fortbildungsmöglichkeiten für Interessierte – zum Beispiel in diesem Seminar: Ernährung am Lebensende: Genuss statt Muss. Referentin ist Dr. Maria Bullermann-Benend, Oecotrophologin mit Lehrauftrag an der FH und eigener Praxis für Ernährungstherapie – Schwerpunkt Onkologie und Palliativ Care. Spannend und informativ für alle, die sich im Pallativ-Care-Bereich engagieren wollen.

Friedhelm Mühleib

Einfach besser essen – neues Material vom aid

Wie ist die Ernährungspyramide aufgebaut? Welche Lebensmittel fallen in welche Kategorie und wie viel darf ich davon jeweils essen? Neue Medien vom aid bieten anschauliche und ansprechende Unterstützung für Berater rund um die aid-Ernährungspyramide, Portionsgrößen und eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl.
Besser essen kann so einfach sein, wenn die aid-Ernährungspyramide zum inneren Navigator wird. Im täglichen Ernährungsdschungel begleitet sie uns und hilft dabei, Lebensmittel für eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zusammenzustellen.
 
Einfach besser essen
Einfach besser essen – unter diesem Titel hat der aid eine neue Broschüre rund um das Thema Ernährungspyramide erarbeitet, die Beratungskräfte als Informations- und Arbeitsmaterial für ihre Klienten einsetzen können. Zusätzlich gibt es eine DVD, mit der Lerninhalte medial aufbereitet werden können. Das Heft stellt die aid-Ernährungspyramide und ihre Botschaften mit vielen praktischen und alltagstauglichen Beispielen vor. Einfach umsetzbare Tipps helfen dabei, die Pyramide als Leitfaden zu nutzen. Es geht natürlich um Essen und Trinken, aber auch um Bauchgefühl, Genuss und Bewegung. Der Unterschied zwischen Appetit und Hunger wird ebenso erklärt wie die richtige Handhabe von Portionsgrößen. Leicht verständlich wird über Smoothies, Vollkornprodukte und versteckte Fette aufgeklärt. Die zusätzliche DVD bietet acht interaktive Tafelbilder für die moderne Gestaltung von Seminaren und Unterrichtseinheiten. Anhand der digitalen Materialien können Aspekte rund um die Ernährungspyramide erarbeitet, wiederholt oder aufgefrischt werden – z.B. die eigenen Gewohnheiten, aber auch Esskultur oder Nachhaltigkeit.
 
Einfach besser essen – Mein Ernährungstagebuch
Der Weg zu einer besseren Ernährung und mehr Wohlbefinden kann damit starten, das eigene Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu beobachten und zu reflektieren. In dem neuen Ernährungstagebuch kann jeder Klient eine Woche lang dokumentieren, was er isst und trinkt. Außerdem soll er dort notieren, wie viel Genuss das jeweilige Essen bereitet und wie viel er sich bewegt. Das Tagebuch vom aid enthält Vorlagen zum Ausfüllen für sieben Seiten Ernährungsprotokoll, eine Wochenübersicht Essen & Trinken und ein Bewegungsprotokoll für eine Woche. Durch die übersichtliche Darstellung sehen die Beratungskraft und der Klient in der Auswertung auf einen Blick: Der Klient setzt die Empfehlungen gut, in Teilen oder gar nicht um. Das Tagebuch soll Klienten unterstützen und motivieren, am Ball zu bleiben. Es zeigt einerseits, was schon gut läuft, wo Veränderungen stattgefunden haben und andererseits wo noch Bedarf besteht. So ist das Ernährungstagebuch ein idealer Begleiter jeder Ernährungsberatung: Der Klient dokumentiert seine Ernährung so, dass die Beratungskraft das Ergebnis strukturiert mit ihm diskutieren kann.
 
docFood meint:
Die beiden Hefte eignen sich hervorragend dazu, die aid-Ernährungspyramide zu entdecken und zu erfahren, wie abwechslungsreich eine gute Ernährung ist. In der Ernährungsberatung dient die Broschüre „Einfach besser essen“ den Klienten als wertvolles Nachschlagewerk und Ergänzung zum Ernährungstagebuch. Das Tagebuch ist ansprechend aufbereitet und damit eine hilfreiche Unterstützung für Berater und Ratsuchende. Für die Aufarbeitung ist die DVD eine moderne und anschauliche Alternative. So liefert das neue „Einfach besser essen“ – Set Beratungskräften hilfreiches Material für die Arbeit in der Praxis.

Julia Hintzen

Ernährungsberatung: Heilmittel adieu!

Ein herber Schlag für viele Ernährungsfachkräfte in Deutschland: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, hat die Ernährungsberatung als Heilmittel abgelehnt. Vor allem beim Verband der Diätassistenten (VDD), der seit Jahren für die Anerkennung gekämpft hat, ist die Enttäuschung groß. In einer ersten Stellungnahme des VDD heißt es: „Sachverstand und Patientenwohl finden offenbar dort Grenzen, wo es um spezielle Interessen geht. Leidtragende sind die Patienten, die nicht adäquat mit einer lebenswichtigen Ernährungstherapie versorgt werden können.“
Die Diättherapie und Ernährungsberatung wurden vom Bundessozialgericht im Jahre 2000 in einem Grundsatzurteil als Heilmittel anerkannt. Das Gericht hat den G-BA darin aufgefordert, die Aufnahme der Ernährungsberatung als verordnungsfähiges Heilmittel in den Leistungskatalog zu prüfen. Diese Prüfung hat jetzt 15 Jahre in Anspruch genommen und endet wie damals – mit einer Ablehnung!
 
Enttäuschung und großes Unverständnis
In der aktuellen Pressemeldung des VDD heißt es: „15 Jahre hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gebraucht, um die Entscheidung des Bundessozialgerichtes umzusetzen und die Ernährungsberatung als Heilmittel inhaltlich zu prüfen. Bitter das Ergebnis: Der G-BA kam zwar zu dem Schluss, dass bei angeborenen Stoffwechselstörungen (z.B. Phenylketonurie) und Mukoviszidose eine Ernährungsberatung medizinisch notwendig ist. Doch aus der Aufnahme der Ernährungsberatung in die Heilmittelrichtlinie wurde bei der heutigen Sitzung trotzdem nichts. Sie scheiterte am Widerstand von Ärzteschaft und Krankenkassen. Eine große Gefahr für die Patientensicherheit, denn die adäquate Versorgung ist künftig nicht sichergestellt!“
„Wer eine seltene angeborene Stoffwechselerkrankung wie PKU hat oder an Mukoviszidose erkrankt ist, dem kann Ernährungsberatung bislang nicht als krankenkassenfinanziertes Heilmittel verordnet werden. Die Patientenvertreter im zuständigen G-BA hatten deshalb beantragt, die ambulante Ernährungsberatung bei angeborenen seltenen Stoffwechselerkrankungen und Mukoviszidose in die Heilmittelrichtlinie aufzunehmen.“
 
Entscheidung nicht nachvollziehbar
„Trotzdem wurde die Aufnahme der Ernährungsberatung in die Heilmittelrichtlinie abgelehnt. Dabei stimmten die drei unparteiischen Mitglieder des G-BA eindeutig für den Antrag der Patientenvertreter und die Aufnahme der Ernährungsberatung in die Heilmittelrichtlinie. Doch sie wurden von der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der Krankenkassen (GKV/SV) überstimmt. Mit großer Enttäuschung und Ernüchterung hat der Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V. (VDD) diese Entscheidung zur Kenntnis genommen.“ VDD-Präsidentin Ina Lauer und Doris Steinkamp, VDD-Beauftragte für das Heilmittel Ernährungsberatung, kritisieren die Entscheidung. „Der Beschluss des G-BA ist in unseren Augen nicht zu begründen und nicht nachvollziehbar“
Quelle: VDD
Kontakt: Geschäftsstelle VDD Essen | Ina Lauer, Präsidentin des VDD | Telefon 0201-946 853 70.

Therapie der Adipositas: Ernährungsfachkräfte gehören dazu!

In Brandenburg soll in diesem Jahr ein neues Adipositas-Programm in Zusammenarbeit mit Hausärzten starten – wie die AOK Nordost jetzt bekanntgegeben hat. Das ist prinzipiell zu begrüßen – doch Ernährungsfachkräfte bleiben in der ambulanten Behandlung außen vor. Das lässt den Erfolg der Maßnahme von vornherein bezweifeln, denn ernährungstherapeutische Kenntnisse und Fertigkeiten dürften bei Hausärzten doch sehr überschaubar sein.
 
Das Adipositas-Zentrum der Havelland Kliniken möchte künftig, so die Pressemeldung der AOK Nordost, die Kooperation mit den Hausärzten der Region bei der Behandlung Übergewichtiger intensivieren. Hausärzte sollen die Patienten bei Vorliegen einer Adipositas zeitnah an das Behandlungsteam der Kliniken überweisen. Grundlage dafür ist ein integrierter Versorgungsvertrag, den die AOK Nordost mit den Havelland Kliniken abgeschlossen hat. Mit dem Vertrag über die Durchführung des ambulanten Adipositas-Programms wollen die AOK Nordost und die Havelland Kliniken GmbH dem Problem Adipositas begegnen. Herzstück des Programms sind die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. Dabei richtet es sich in erster Linie an Patienten mit deutlichem Übergewicht und einem Bodymaßindex über 40 bzw. 35 mit dadurch bedingten Folgeerkrankungen.
 
Ernährungsfachkräfte im ambulanten Bereich: Nicht vorgesehen
Im Adipositas-Zentrum selbst arbeiten Ernährungsmediziner mit anderen Gesundheitsberufen eng zusammen – neben Sporttherapeuten und Psychologen sind dort auch beispielsweise Ernährungswissenschaftler mit dabei. Schwerpunkt ist dabei eine umfassende Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie mit dem Ziel, dauerhafte Impulse für einen gesunden Lebensstil zu setzen. Das Programm ist jeweils auf zwölf bzw. sechs Monate angelegt. Wichtig ist, dass der behandelnde Hausarzt, insbesondere nach dem Ende des Adipositas-Programms, der erste Ansprechpartner für die Patienten bleibt. Ein Einsatz qualifizierter Ernährungsberater in der Nachsorge auf ambulanter Ebene scheint nicht vorgesehen.
 
docFood meint:
Es ist zu begrüßen, dass Adipositas-Patienten nach einer intensiven Therapiephase weiter begleitet werden. Der Hausarzt ist sicherlich der richtige Ansprechpartner, wenn es um medizinische Fragestellungen geht. Für den nachhaltigen Effekt einer Gewichtsreduktion ist jedoch auch eine Unterstützung durch erfahrene, gut qualifizierte Ernährungsfachkräfte nötig. Nur sie können den Patienten bei den täglichen Entscheidungen ihres Ernährungsalltags unterstützen, weil sie die einzige Berufsgruppe sind, die gleichzeitig Kenntnisse in der Ernährungsmedizin und im Bereich Lebensmittel aufweisen. Man kann den Hausärzten also nur empfehlen, mit Ernährungsfachkräften zu kooperieren.

Dr. Maike Groeneveld

Dr. Astrid Tombek: Diabetologie geht nur im Team

Gestern war Welt-Diabetestag. Für Fachkräfte in der Ernährungsberatung, die mit Diabetikern arbeiten, ist jeder Tag Diabetestag. Zum Beispiel für Dr. Astrid Tombek. Die Diplom Oecotrophologin arbeitet seit 1998 am Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim im Schulungsteam und übernahm 2003 dessen Leitung. Diabetesberatung und -schulung ist für sie seit 20 Jahren Beruf und Berufung zugleich. Ihre Hauptaufgabe ist – zusammen mit ihrem 16-köpfigen Team aus Diabetesberatern, Oecotrophologen, Diätassistenten, und Erziehern – das Patienten-Management, von der Anmeldung bis zur Entlassung mit einem Schwerpunkt auf der Schulung.
Die großen Fortschritte im Bereich der Betreuung der Betroffenen während dieser Zeit reichen ihrer Meinung jedoch bei Weitem nicht aus, der befürchteten Lawine an Neuerkrankungen in den kommenden Jahren Herr zu werden. Im Gespräch mit docFood  sieht sie einen großen Bedarf an Ernährungsfachkräften, die nach ihrer Einschätzung von der Ausbildung her prädestiniert dafür wären, die große Lücke an Fachkräften im Diabetesbereich zu füllen und übt vor allem auch an der nach wie vor verhaltenen Kooperationsbereitschaft vieler Mediziner Kritik.
docFood: Viele Experten warnen vor einem dramatischen Anstieg der Diabetesfälle in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Müssen wir tatsächlich mit dem Schlimmsten rechen?
Tombek: Ich halte die Prognosen für realistisch, zumal die Fallzahlen, von denen derzeit die Rede ist, viel zu niedrig angesetzt werden. Das Problem sind die Grenzwerte der WHO, nach denen ein Blutzucker zwischen 110 und 126 mg/dl als Prädiabetes eingestuft wird. Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und sage: Prädiabetes gibt es nicht! Nüchtern-Werte über 110 sind Diabetes, nicht Prädiabetes. Würde diese Position anerkannt, dann wären die Zahlen gigantisch. Im Grunde sollte man beim Check-up nicht den Nüchtern-Blutzucker, sondern den Hb1C messen. Jeder Hb1C-Wert über 6 % wäre dann Diabetes. Große Sorgen macht mir momentan vor allem die Beobachtung, dass die Betroffenen immer jünger werden. Vor 17 Jahren, als ich mit Schulungen angefangen habe, lag das Durchschnittsalter der Erstdiagnosen knapp unter 70 Jahren. Heute überwiegen die 40- bis 50-Jährigen, und in jeder Gruppe gibt es junge Menschen zwischen 14 und 20 Jahren. Das Manifestationsalter hat sich enorm verschoben. Das finde ich absolut erschreckend.
docFood: Wo sehen sie die Ursachen dafür?
Tombek: Ich glaube, dass eine Kombination aus Genetik und den verschiedensten Lifestylefaktoren dafür verantwortlich ist – zu wenig Bewegung, zu viele Kalorien sowie Stress als Verursacher und Verstärker. Unser Essen hat sich extrem verändert: viele gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren, viele Kohlenhydrate, zu wenige Ballaststoffe. Die Kombination aus Bewegungsmangel in Kombination mit zu viel Essen, Fett, Kalorien und Zucker – das ist ein Killer. Überall und jederzeit gibt es ein Angebot: Softdrinks, Fastfood, Pizza, Süßigkeiten, Brötchen, Teilchen. Es wird immer überall gegessen! Das ist das Hauptproblem.
docFood: Brauchen wir mehr Prävention?
Tombek: Absolut! Was momentan passiert, ist zu wenig, und es passiert vor allem zu spät. Die Prävention – gerade auch beim metabolischen Syndrom – erreicht die Menschen nicht. Sie sorgen sich nicht um Dinge, die vielleicht irgendwann in der Zukunft, in 10, 20 oder 30 Jahren, passieren werden. Diabetes tut ja erst mal nicht weh. Und wenn er dann kommt, nimmt man halt erst mal ein paar Tabletten. Dass das Folgeerkrankungen und massive Schädigungen nach sich zieht, wird gar nicht wahrgenommen. Im Grunde müsste man im Kindesalter mit der Aufklärung über Bedeutung undmFolgen des Essens anfangen. Dann hätte man vielleicht eine Chance, dass die Menschen später eine normale, gesundheiterhaltende Ernährung praktizieren – auch wenn dann mal eine Fast-Food-Phase in der Pubertät dazwischenliegt. Was man von klein auf gewöhnt ist, dazu kehrt man dann vielleicht später zurück.
docFood: Haben die Ärzte Bedeutung und Möglichkeiten der Ernährung im Zusammenhang mit dem Diabetes eigentlich in vollem Umfang erkannt?
Tombek: Das ist sicherlich ein Problem. Diabetes wird nach wie vor nicht ernst genug genommen – und die Betroffenen werden von den Ärzten einfach nicht in die Ernährungsberatung weiter verwiesen. Hausärzte müssten Patienten, deren Laborwerte auf die Entwicklung eines Diabetes hinweisen, schon früh in die Ernährungsberatung schicken. Genau das passiert aber nicht. Es braucht einen finanziellen Anreiz für die Hausärzte, damit die das machen – und den gibt es derzeit nicht.
docFood: Die Alternative wäre, dass Ernährungsberater aktiver auf die Ärzte zu gehen?
Tombek: Ja, absolut! Es ist mir ein echtes Anliegen, unseren Kollegen zu sagen: Wendet euch aktiv an die Ärzte – vor allem auch die Hausärzte – und bietet eure Leistungen an. Denn diese gehen nicht immer gerne auf andere zu. Ich bin sogar überzeugt, dass sie dafür dankbar wären und entsprechende Angebote gerne annehmen würden. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten gehen. Viel zu viele denken immer noch, dass Mediziner in einer anderen Liga spielen würden. Aber das ist nicht mehr so – und die Generation von Ärzten, die jetzt nachwächst, ist in der Mehrheit durchaus teamfähig. Die sind meiner Erfahrung nach für alles dankbar, was man ihnen an Unterstützung gibt. Ich habe es jedenfalls immer so erlebt. Erfolgreiche Diabetologie geht sowieso nur in Teamarbeit, und jeder Arzt, der sich der Diabetologie verschreibt, weiß, dass das nur im Team geht. Unseren Leuten erspart das trotzdem nicht das Klinkenputzen, um sich bekannt zu machen.

Das Gespräch führte Friedhelm Mühleib

Foto: © A. Tombek

Text Quelle: Auszug aus einem Interview von Dr. Friedhelm Mühleib mit Dr. Astrid Tombek in Heft 02-2014 der VDOE POSITION