Statine – kein Ausgleich für Ernährungsfehler!

Gehören Statine tatsächlich zu den Heilsbringern unter den Medikamenten und sind so risikoarm wie Kamelle? Zu diesem Eindruck könnte man nach der Lektüre eines Reviews   in der renommierten Fachzeitschrift Lancet kommen. Der britische Epidemiologe  Prof. Rory Collins und seine Mitautoren sind dort angetreten, die ihrer Meinung nach häufig verzerrte Darstellung der Therapie mit Statinen ein für alle Mal zu korrigieren. Der Nutzen der Statine werde demnach leider allzu häufig unterschätzt – die Risiken dagegen würden weit überschätzt.
 
Das steht im krassen Gegensatz zur Diskussion, die derzeit hierzulande geführt wird. „Deutsche nehmen zu viele Mittel gegen Cholesterin“ titelte sogar die BILD vor wenigen Tagen und bezog sich auf die Aussagen des Pharmakritikers Prof. Gerd Glaeske.
 

Statinverbrauch steigt ständig

„Blutfettsenker sind wichtig, taugen aber nicht dazu, Ernährungsfehler auszugleichen“, so wird Glaeske in der Deutschen Apotheker Zeitung / DAZ.online zitiert. Glaeske äußerte sich vor dem Hintergrund des gerade veröffentlichten Innovationsreport 2015 der Techniker Krankenkasse (TK), der einen Anstieg der Kosten für Lipidsenker im Jahr 2015 um 10,4 Prozent auf 54,7 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr konstatiert. Glaeske zieht daraus als einer der Autoren der Studie den Schluss, dass Statine „nicht nur im Rahmen der Sekundärprophylaxe nach einem Herzinfarkt, sondern auch bei anderen Personengruppen eingesetzt werden, die eine medikamentöse Intervention einer Ernährungsumstellung, intensiver Bewegung oder Gewichtsreduktion vorziehen“. Frei übersetzt dürfte das bedeuten: Immer mehr Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten und null Bock auf Ernährungsumstellung, Bewegung und Abnehmen ziehen Statine einer Bekämpfung der Ursachen vor, weil Pillen schlucken bequemer ist. Bleibt zu ergänzen, dass Glaeske die Statine keineswegs kategorisch verdammt. So kritisiert Glaeske, dass Schlaganfallpatienten viel zu selten ein Statin verordnet werde, obwohl die entsprechende Leitlinie den Einsatz von Statinen bei dieser Gruppe mit dem höchsten Evidenzgrad empfehle.
 

docFood meint

Rauchen, Übergewicht, Hypertonie, Diabetes mellitus und eine Hyperlipidämie gehören zu den gesicherten Risikofaktoren einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Ernährungsfachkräfte sollten im Rahmen der Primärprävention zunächst versuchen, Patienten mit KHK zu motivieren, den Cholesterinspiegel mit Hilfe von Bewegung und diätetischen Maßnahmen – (mediterrane Kost, kohlenhydrat- und fettreduzierte Ernährung) zu senken und gleichzeitig Übergewicht abzubauen. Dabei gilt es, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt das kardiovaskulären Risiko des Patienten im Auge zu behalten: Falls diätetische Maßnahmen nicht ausreichen, Gewicht und Cholesterin ausreichend zu senken oder der Patient diesen Weg nicht akzeptiert, wird es bei steigenden Werten riskant, auf Statine zu verzichten. Statine ja – aber mit Sinn und Verstand: So viel wie nötig und so wenig wie möglich.

 Dr. Friedhelm Mühleib

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