Übergewicht geht an die Niere

Über zwei Mio. Menschen sind in Deutschland von einer chronischen Nierenkrankheit betroffen. Mehr als 100.000 Menschen    sind abhängig von einer Dialyse und/oder warten auf eine Transplantation. Immer noch steigt die Zahl der Betroffenen – besonders gefährdet sind dabei Menschen mit Übergewicht. Am heutigen Weltnierentag weist die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) darauf hin, dass sich die Zahl der   Nierengewebsschäden, die durch Übergewicht verursacht sind, in den vergangenen 30 Jahren verzehnfacht hat! Deshalb sollten Ernährungsfachkräfte  z. B. im Bereich der Prävention und Therapie von Übergewicht und Adipositas schon frühzeitig auch die Nierengesundheit ins Auge fassen.
 
Übergewicht (BMI > 25 geht auch an die Nieren: Seit langem ist bereits ein indirekter Zusammenhang bekannt: Übergewichtige Menschen leiden oft unter Bluthochdruck – und der schädigt die feinen Blutgefäße in den Nieren, welche die Giftstoffe aus unserem Körper filtern.
 

Lange unterschätzt: Risikofaktor Übergewicht

Die Funktion der Nieren nimmt dann stetig ab, bis die Betroffenen eine Dialyse brauchen. Bei etwa einem Drittel aller Dialysepatienten ist ein Bluthochdruck die Ursache für das Nierenleiden. Übergewicht und Bluthochdruck kommen oft nicht allein, sondern fördern die Entstehung eines Diabetes. Ein Diabetes stellt einen zusätzlichen Risikofaktor für eine chronische Nierenkrankheit dar. Etwa 30- 40% der Diabetiker weisen Nierenschäden auf. Jedes Jahr werden mehr als 2.000 Patienten in Folge von Diabetes mellitus dialysepflichtig. Inzwischen weiß man, dass Fettleibigkeit die Nieren ganz unmittelbar schädigt. Fettgewebe sondert verschiedene Peptidhormone wie Adiponectin, Leptin und Resistin ab, die zu Entzündungen und oxidativem Stress führen, den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen und erhöhte Insulinspiegel, oft auch eine Insulinresistenz nach sich ziehen. All das sind Prozesse, die zu krankhaften Veränderungen des Nierengewebes (sogenannten Glomerulopathien) führen und in Folge zu einer Abnahme der Nierenfunktion. Wie eine aktuelle Publikation in „Kidney International“   berichtet, hat sich der Zahl der durch Übergewicht verursachten Glomerulopathien seit 1986 verzehnfacht.
 

Experten warnen vor „Explosion“ der Dialysezahlen

Prof. Mark Dominik Alscher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), fordert mehr Aufmerksamkeit für das Thema: „Um keine Explosion der Dialysezahlen zu erleben, müssen wir unsere Präventionsbemühungen weiter verstärken“. Zum einen müsse die Öffentlichkeit für dieses Problem sensibilisiert und die Bevölkerung zu einem gesünderen Lebensstil motiviert werden, zum anderen müssten aber auch nephrologische Früherkennungsmaßnahmen intensiviert werden. Denn wenn eine chronische Nierenerkrankung rechtzeitig erkannt wird, kann ihr Fortschreiten medikamentös verlangsamt und die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie oft über Jahre hinausgezögert werden. Alscher rät zu regelmäßigen Kontrollen der Nierenfunktion, die  nicht nur bei Diabetikern und älteren Menschen, sondern auch engmaschig bei allen Patienten mit Bluthochdruck oder Übergewicht durchgeführt werden sollten. Wichtigste vorbeugende Maßnahme bleibe, so Alscher, das Körpergewicht in den Normalbereich zu bringen – und langfristig zu halten.
 

Therapie: Ernährung kann entscheidende Rolle spielen

Der Schlüssel zur Prävention chronischer Schäden der Niere und ihrer Verschlimmerung bis hin zum Nierenversagen liegt in der Ernährung. Worum sonst geht es, wenn ein Nephrologe dazu auffordert, das „Körpergewicht in den Normalbereich“ zu bringen? Die Ernährung spielt bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Rahmen der Gesamttherapie eine bedeutende Rolle. Neben einer Gewichtsreduktion bei vorhandenem Übergewicht ist das primäre Ziel ernährungstherapeutischer Maßnahmen die Absenkung der harnpflichtigen Substanzen im Blut, die Senkung und Normalisierung des Blutdrucks bei häufig vorhandenem Hochdruck sowie die Ausschwemmung von krankhaften Wassereinlagerungen (Ödemen). Die Vermeidung von Mangelernährung ist im fortgeschrittenen Stadium eine zusätzliche Aufgabe der Ernährungstherapie. Eine professionelle Ernährungstherapie kann das Fortschreiten der Nierenerkrankung sowie das Entstehen von Folgekrankheiten bei guter Compliance des Patienten über viele Jahre verlangsamen und hinauszögern.
 

docFood meint

Das Wissen darum ist leider zum einen das Wissen bei Hausärzten wie auch bei den Nephrologen als Experten gering. Zum anderen erfordert die individuelle Ernährungstherapie auch von den Fachkräften spezielle Kenntnisse, die häufig erst durch entsprechende Fortbildung erworben werden müssen. Dass Problem und Aufgabe erkannt sind, hat die Dreiländertagung von Meidzinern und Ernährungsfachkräften im vergangenen Jahr in Dresden gezeigt. Dort war man sich über den großen Nutzen einer Ernährungstherapie berufsübergreifend einig. Als Ergebnis wurde mehr und bessere Kooperation zwischen den Ärzten und Fachkräften gefordert. Passiert ist seitdem leider noch nicht viel.  Eine Schwalbe macht eben noch keinen Sommer. Hier muss noch viel passieren!

Dr. Friedhelm Mühleib

Osteoporose: Diabetes geht auch auf die Knochen

Osteoporose ist in Deutschland weit verbreitet: Schätzungen zufolge sind derzeit ca. 7 Millionen Menschen davon betroffen.  Wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) berichtet, haben Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Osteoporoserisiko. In der Folge kann es bei Diabetikern vermehrt zu Knochenbrüchen kommen. Die Brüche wiederum können Immobilität, Lungenentzündungen oder Langzeitbehinderung nach sich ziehen. Ursache für Osteoporose können, so die DDG, einzelne Diabetes-Medikamente sein, die die Knochengesundheit schwächen. Auslöser kann aber auch ein Vitamin-D-Mangel sein.  Wie die Münchener Diätassistentin und Osteoporose-Expertin Barbara Haidenberger betont, kann eine knochengesunde Ernährung das Risiko für solche Brüche erheblich reduzieren.
Nach der Empfehlung der DDG sollten Menschen mit Diabetes frühzeitig und gezielt auf Osteoporose untersucht und behandelt werden.
Osteoporose – wenn die Knochen altern
Mit zunehmendem Alter nimmt die Stabilität unserer Knochen ab. Im Rahmen des natürlichen Stoffwechsels unserer Knochen wird ständig Gewebe auf- und abgebaut. Wird dauerhaft mehr Gewebe abgebaut als neues Gewebe entsteht, spricht man von Knochenschwund oder Osteoporose. Ein Diabetes mellitus kann den Abbau beschleunigen und – insbesondere mit längerer Diabetesdauer – Knochenbrüche begünstigen. „Hierbei spielt eine Rolle, ob die Menschen sich weniger körperlich bewegen, der Diabetes gut oder schlecht eingestellt ist, welche Diabetesmedikamente eingenommen werden und ob ein Vitamin-D-Mangel besteht“, sagt der Frankfurter Diabetologe Prof. Dr. Klaus Badenhoop.  Dabei komme, so der Mediziner, ein Vitamin-D-Mangel auch bei Gesunden nicht selten vor, sei aber bei Diabetes besonders häufig.
So kann Ernährung helfen
Niedrige Vitamin D Konzentrationen kommen besonders bei älteren Menschen vor. Neben der Nahrungsaufnahme wird ein Großteil des täglichen Vitamin-D-Bedarfes vom Körper durch die Haut hergestellt. Heute gehört Vitamin D aufgrund der gesicherten Wirkungen auf den Knochenstoffwechsel zur Basistherapie der Osteoporose.  Eine knochengesunde Ernährung sollte immer Bestandteil der  Basistherapie sein und möglichst schon vorbeugend praktiziert werden.  Wie viel sie bewirken kann, beschreibt die Ernährungsexpertin Haidenberger :  „Reichlich Calcium stärkt die Knochen, eine geringe Calciumzufuhr wird als eigenständiger Risikofaktor für die Osteoporose-Entstehung eingestuft. Menschen mit und ohne Diabetes nehmen häufig sehr viel weniger Calcium auf als die empfohlenen 1000 mg täglich.“  Auch andere Mineralstoffe und Vitamine, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen, sind Haidenberger zufolge ebenfalls oft in zu geringer Menge in der Nahrung enthalten: „Eine diabetesgerechte Ernährung kann problemlos gleichzeitig knochengesund sein. Die Prüfung der Mikronährstoffversorgung sollte genauso zur Diabetesberatung gehören wie Blutzuckereinstellung und Gewichtsmanagement. So kann man einer Osteoporose und folgenschweren Knochenbrüchen schon frühzeitig entgegenwirken.“
docFood – Tipps für Ernährungsprofis
Die Expertin kritisiert, dass viele Diabetiker mit Osteoporose  statt der nötigen Ernährungsberatung lediglich Empfehlungen für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Calcium und Vitamin D erhalten – ohne Berücksichtigung der individuellen Essgewohnheiten und der tatsächlichen Nährstoffzufuhr. Dabei muss, so Haidenberger, eine „knochengesunde Ernährung“ weit mehr berücksichtigen als nur diese beiden Mikronährstoffe. Auf Grund dessen sollten Ernährungsfachkräfte, die Osteoporose-Patienten beraten, über einen breiten Fundus an Kenntnissen verfügen – vom medizinischen Hintergrundwissen über die leitliniengerechte Ernährung und den Einfluss des Säure-Basen-Haushaltes bis hin zur patientengerechten Vermittlung der Empfehlungen in Beratung und Schulung. Diese Kenntnisse vermittelt  die Expertin in Fachseminaren für Ernährungsprofis – z.B. hier und hier.

Dr. Friedhelm Mühleib

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft DDG

Statine – Risiken und Nebenwirkungen für Hersteller?

 „Bis vor wenigen Jahren wurde gezielt der Eindruck vermittelt, dass Statine die neuen ‚Wunder-Wirkstoffe‘ sind, die keine Risiken haben, dafür aber unzählige Leben retten.“ meint Prof. Dr. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie und Professor für Clinical Nutrition in Rheine im Interview mit docFood. Smollich, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, spricht von einer „Statinisierung der Gesellschaft“ – getrieben nicht zuletzt von den Marketing-Abteilungen der pharmazeutischen Industrie. Hintergrund des Gesprächs mit Smollich ist die aktuelle Veröffentlichung eines Reviews zur Bewertung der Statine im angesehenen Wissenschaftsmagazin Lancet und der aktuelle Streit über Risiken und Nutzen der Statine. Fazit des Reviews – auf einen einfachen Nenner gebracht: Schluck Statine – und alles wird gut. Im exclusiven Interview mit docFood spricht Smollich darüber, warum man es sich nicht ganz so einfach machen kann – und plädiert für eine differenzierte Sichtweise.
 
 
docF: Herr Prof. Smollich, was sind Statine und wer sollte sie nehmen?
 
Prof. Smollich: Kurz gefasst kann man sagen: Die pharmakologisch heterogene Wirkstoffgruppe der Statine ist eine Gruppe sehr wirksamer Substanzen, deren Hauptwirkung in einer Hemmung der körpereigenen Cholesterinbiosynthese besteht. Insbesondere für die Indikation der Hypercholesterinämie sind sie die einzige Wirkstoffgruppe, die tatsächlich zu einer relevanten Mortalitätsreduktion führt – und das ist ja der „härteste“ klinische Endpunkt, den es geben kann. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch die Statine bei Hypercholesterinämie nur dann zulassungskonform angewendet dürfen, wenn Diät und andere nicht-pharmakologische Maßnahmen allein nicht ausreichend wirksam sind.
 
docF: Der Lipobay-Skandal ist längst vergessen und inzwischen gelten Statine gemeinhin als Medikamente mit geringen Nebenwirkungen.  
 
Prof. Smollich: Diese Ansicht wird gerade einmal wieder durch den im Lancet publizierten Review von Collins und seinen Mitautoren unterstützt, der den erheblichen Nutzen der Statin-Therapie betont: Danach sei die Statin-induzierte Myopathie viel seltener als angenommen und außerdem harmlos, da sie sich nach Absetzen der Statine in der Regel wieder zurückbilde; die Herzinfarkte und Schlaganfälle, die durch eigenmächtiges Absetzen der Statin-Therapie auftreten können, seien dagegen erheblich gravierender. Folglich seien die Risiken der Statin-Therapie in der Bevölkerung über- und die Vorteile unterbewertet. Die Schlussfolgerungen des Reviews sind allerdings durchaus mit Vorsicht zu genießen.
 
docF: Die Studie stellt also – salopp gesagt – einen Freibrief für den Einsatz von Statinen aus. Mit Milliardenumsätzen weltweit gehören die Statine zu den Blockbustern der Pharmaindustrie – was zu der naheliegenden Frage führt, wie nahe die Autoren solcher Studien den Herstellern stehen.
 
Prof. Smollich: Ohne Böses zu unterstellen lässt sich konstatieren, dass fast alle Autoren dieses Reviews seit Jahren Honorare von jenen pharmazeutischen Unternehmen erhalten, die auch Statine herstellen und vertreiben. Vor kurzem gab es eine große Untersuchung, die zeigte, dass eine Statin-kritische mediale Berichterstattung dazu führt, dass Patienten ihre Statin-Therapie vermehrt ohne ärztliche Rücksprache absetzen, was direkte gesundheitliche Risiken bedeuten kann. Die Studie von Collins liest sich wie eine Replik darauf mit dem Fazit: Esst alle schön brav Eure Statine auf!  Das darf man durchaus in Verbindung mit der Tatsache sehen, dass die Information über mangelnde Compliance der Patienten auch ökonomische Risiken für die Hersteller birgt.
 
docF: Noch vor kurzem hat der Pharmakritiker Prof. Gerd Glaeske den übertriebenen Einsatz von Statinen kritisiert und stattdessen gefordert, den Fokus stärker auf Möglichkeiten z. B. der Ernährungstherapie zu richten. Hat er Recht?
 
Prof. Smollich: Dass die Statin-Anwendung tatsächlich häufig kritisch gesehen wird (und zwar nicht nur von medizinischen Laien, sondern auch von Ärzten) liegt vor allem daran, dass es die Marketing-Abteilungen der pharmazeutischen Industrie in der Vergangenheit mit der „Statinisierung der Gesellschaft“ doch etwas weit getrieben haben: Nicht nur in Publikumsmedien gab es bis vor wenigen Jahren den gezielt vermittelten Eindruck, dass Statine die neuen „Wunder-Wirkstoffe“ sind, die keine Risiken haben, dafür aber unzählige Leben retten. Ein besonderes krasses Beispiel dafür sind auch die aktuellen US-amerikanischen Leitlinien (ACC/AHA) zur Indikationsstellung für die Statin-Anwendung: Wenn man diese Leitlinien anwendet, sind Statine bei 33% (!) der amerikanischen Gesamtbevölkerung indiziert! Das liegt daran, dass die Indikation nicht nur für alle Diabetiker gesehen wird, sondern auch für alle völlig gesunden Männer ab 59 Jahren bzw. für alle völlig gesunden Frauen ab 68 Jahren.
 
docF: Die amerikanischen Leitlinien leiten ihre Empfehlungen aus Studien ab, die zeigen, dass die entsprechenden Bevölkerungsgruppen von einer Statintherapie gesundheitlich profitieren. Wie zwingend sind diese Erkenntnise hinsichtlich der Schlussfolgerung, man müsse in noch breiterem Rahmen Statine verordnen?
 
Prof. Smollich: Eine Statin-Therapie ergibt tatsächlich und unstrittig einen statistischen Vorteil für diese ‚Bevölkerungsgruppen‘ – von „Patienten“ möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen, da ja wie erwähnt auch völlig gesunde Menschen von der Indikation der Leitlinie erfasst sind. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass dieser Vorteil auch klinisch relevant ist. Entsprechende Effekte sind bei extrem großen Studienkollektiven nicht selten: So kann auch eine HDL-Erhöhung von 55 mg/dl auf 57 mg/dl statistisch signifikant sein, der klinische Nutzen dieses Effektes ist dabei noch lange nicht gegeben. Bei der Anwendung der amerikanischen Leitlinien wird daher eine number needed to treat (NNT) von ca. 600 Patienten pro Jahr als sinnvoll angesehen: d. h., 600 Patienten müssen ein Jahr lang mit einem Statin behandelt werden, damit ein einziger Patient davon profitiert – 599 Patienten hätten von der Einnahme keinen Vorteil, aber alle Risiken. Eine derartige Relation erscheint vollkommen absurd. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) geht davon aus, dass erst ab einer NNT < 250/Jahr der klinische Nutzen einer Statin-Therapie überwiegt – und selbst hierbei würden 249 Patienten ohne Nutzen behandelt. Auch hier wäre zu erwähnen, dass von den an der Erstellung der amerikanischen Leitlinie beteiligten 15 Autoren immerhin 8 explizite Geschäftsbeziehungen zu Statin-produzierenden Pharmaindustrie unterhalten.
 
docF: Aus dieser Perspektive erscheint der Nutzen einer breit streuenden Therapie mit Statinen in einem kritischen Licht – ganz zu schweigen von den enormen Kosten. Muss man in diesem Zusammenhang nicht auch die Risiken anders bewerten? Konkret: Sind die Risiken so sehr zu vernachlässigen, wie Collins & Co. Glauben machen wollen?
 
Prof. Smollich: Tatsächlich bagatellisiert der aktuelle Lancet-Review die potenziellen Risiken der Statin-Therapie (im Sinne eines „Myopathien sind sehr selten und dann auch noch harmlos“). Dabei wird verschwiegen, dass Statine ein erhebliches Interaktionspotenzial besitzen, was gerade bei älteren Patienten zu gravierenden Nebenwirkungen führen kann. Anderseits ist festzustellen, dass die Statine inzwischen häufig überkritisch gesehen werden – was kausal daran liegen dürfte, dass sie in der Vergangenheit aufgrund von Marketingmaßnahmen viel zu unkritisch gesehen wurden. So handelt es sich bei einem Teil der Statin-Anwendung meiner Meinung nach um eine eigentlich nicht erforderliche Über-Therapie, während umgekehrt aber auch bestimmte Subgruppen – z. B. Schlaganfallpatienten – viel zu selten Statine erhalten. Beide Wege erscheinen für den Patienten nicht hilfreich. Entscheidend für den gesamten Therapieprozess ist daher die Indikationsqualität: Die Indikation für die Statin-Anwendung muss streng und zurückhaltend gestellt werden (Risiko-Kalkulation der europäischen ESC-Leitlinien statt der amerikanischen ACC/AHA-Leitlinien, Kombination mit Lifestyle-Modifikation, niedrigste Dosis, optimale Wirkstoffauswahl, Interaktionsprüfung, Risikomanagement, AkdÄ-Empfehlungen). Wenn die Indikation dann aber steht, sollten Statine auf jeden Fall langfristig und mit guter Therapieadhärenz angewendet werden, da sie in dieser Konstellation (optimale Indikationsqualität) sehr wirksam sind und tatsächlich Leben retten können.
 
d0cF: Herr Prof. Smollich, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!
 

 Das Gespräch führte Dr. Friedhelm Mühleib

Aachener Diätetik Fortbildung: Voller Erfolg

Auch in diesem Jahr war die Aachener Diätetik Fortbildung (ADF) wieder bundesweit eine der stärksten und am besten besuchten Veranstaltungen für Ernährungsfachkräfte: Die 24. ADF stieß am vergangenen Wochenende auf überwältigenden Zuspruch. 1736 Ernährungsfachkräfteaus dem In- und Ausland nahmen an dem dreitägigen Kongress in den Räumen der Uniklinik RWTH Aachen teil. Veranstalter der ADF ist der Verband für Ernährung und Diätetik (VFED) e.V. Die Veranstaltung bot rund 80 Beiträge renommierter Referenten in fünf Hörsälen parallel. Das zentrale Thema in diesem Jahr lautete „Alt werden – gesund bleiben“.
 
Passend dazu hielt Dr. Dr. med. Charles Christian Adarkwah den Festvortrag „Healthy Aging: Was kann eine gesunde Ernährung zur Verhinderung altersbedingter Erkrankungen beitragen?“.
 

Gesund alt werden – zentrales Thema

Weitere Vorträge beschäftigten sich mit interessanten und hilfreichen Beiträgen rund um die Seniorengesundheit, wobei sich die Referenten Fragen stellten wie „Älter werden und gesund bleiben oder eher gesund bleiben, um älter zu werden?“ Dieses Schwerpunktthema ist gleichzeitig Gegenstand des 20. Tages der gesunden Ernährung am 07. März 2017, veranstaltet vom VFED. Weitere Beiträge behandelten vielfältige, ernährungsrelevante sowie praxisorientierte Themen, unter anderem Rheuma, Onkologie, Adipositas, Stress, Sport und Ernährung und boten Neuigkeiten aus der Industrie und Forschung. Unter der Leitung von PD Dr. med. Thomas Ellrott vom Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen fand das Symposium zum Thema: „Macht Essen süchtig?“ statt. Renommierte internationale Experten aus unterschiedlichen Disziplinen waren geladen, aktuelle Erkenntnisse hierzu auszutauschen und zu diskutieren. Die beliebte Vortragsreihe „Gastroenterologie“ wurde in diesem Jahr durch zusätzliche Beiträge zu „Darmgesundheit“ und „Darmerkrankungen“ ergänzt. Hier referierte unter anderem PD Dr. med. Edmund A. Purucker zum interessanten Thema „FODMAP“.
 

docFood meint

 Die Vielfalt an Veranstaltungen und Vorträgen aus den unterschiedlichsten Gebieten zeigen deutlich die viel geschätzte Interdisziplinarität der ADF. Insgesamt informierten rund 60 namhafte Wissenschaftler und Praktiker die Teilnehmer rund um Ernährungsberatung, -therapie und Prävention, die begleitende Industrieausstellung lieferte Neuigkeiten zu Produkten und Informationsmaterialien. Die ADF ist ein ‚Muss‘ Für alle Ernährungsfachkräfte, denen gute Weiterbildung wichtig ist.

Redaktion docFood

 
Quelle: Verband für Ernährung und Diätetik (VFED) / Hedwig Hugot
 
Foto: Blick in die gut besuchte Ausstellung im Rahmen der ADF: Blick auf den Stand von freiraum – Fachseminare für Ernährungsprofis

Statine – kein Ausgleich für Ernährungsfehler!

Gehören Statine tatsächlich zu den Heilsbringern unter den Medikamenten und sind so risikoarm wie Kamelle? Zu diesem Eindruck könnte man nach der Lektüre eines Reviews   in der renommierten Fachzeitschrift Lancet kommen. Der britische Epidemiologe  Prof. Rory Collins und seine Mitautoren sind dort angetreten, die ihrer Meinung nach häufig verzerrte Darstellung der Therapie mit Statinen ein für alle Mal zu korrigieren. Der Nutzen der Statine werde demnach leider allzu häufig unterschätzt – die Risiken dagegen würden weit überschätzt.
 
Das steht im krassen Gegensatz zur Diskussion, die derzeit hierzulande geführt wird. „Deutsche nehmen zu viele Mittel gegen Cholesterin“ titelte sogar die BILD vor wenigen Tagen und bezog sich auf die Aussagen des Pharmakritikers Prof. Gerd Glaeske.
 

Statinverbrauch steigt ständig

„Blutfettsenker sind wichtig, taugen aber nicht dazu, Ernährungsfehler auszugleichen“, so wird Glaeske in der Deutschen Apotheker Zeitung / DAZ.online zitiert. Glaeske äußerte sich vor dem Hintergrund des gerade veröffentlichten Innovationsreport 2015 der Techniker Krankenkasse (TK), der einen Anstieg der Kosten für Lipidsenker im Jahr 2015 um 10,4 Prozent auf 54,7 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr konstatiert. Glaeske zieht daraus als einer der Autoren der Studie den Schluss, dass Statine „nicht nur im Rahmen der Sekundärprophylaxe nach einem Herzinfarkt, sondern auch bei anderen Personengruppen eingesetzt werden, die eine medikamentöse Intervention einer Ernährungsumstellung, intensiver Bewegung oder Gewichtsreduktion vorziehen“. Frei übersetzt dürfte das bedeuten: Immer mehr Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten und null Bock auf Ernährungsumstellung, Bewegung und Abnehmen ziehen Statine einer Bekämpfung der Ursachen vor, weil Pillen schlucken bequemer ist. Bleibt zu ergänzen, dass Glaeske die Statine keineswegs kategorisch verdammt. So kritisiert Glaeske, dass Schlaganfallpatienten viel zu selten ein Statin verordnet werde, obwohl die entsprechende Leitlinie den Einsatz von Statinen bei dieser Gruppe mit dem höchsten Evidenzgrad empfehle.
 

docFood meint

Rauchen, Übergewicht, Hypertonie, Diabetes mellitus und eine Hyperlipidämie gehören zu den gesicherten Risikofaktoren einer koronaren Herzkrankheit (KHK). Ernährungsfachkräfte sollten im Rahmen der Primärprävention zunächst versuchen, Patienten mit KHK zu motivieren, den Cholesterinspiegel mit Hilfe von Bewegung und diätetischen Maßnahmen – (mediterrane Kost, kohlenhydrat- und fettreduzierte Ernährung) zu senken und gleichzeitig Übergewicht abzubauen. Dabei gilt es, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt das kardiovaskulären Risiko des Patienten im Auge zu behalten: Falls diätetische Maßnahmen nicht ausreichen, Gewicht und Cholesterin ausreichend zu senken oder der Patient diesen Weg nicht akzeptiert, wird es bei steigenden Werten riskant, auf Statine zu verzichten. Statine ja – aber mit Sinn und Verstand: So viel wie nötig und so wenig wie möglich.

 Dr. Friedhelm Mühleib

Ernährungsberatung: „Wir brauchen mehr Selbstbewusstsein!“

In einem der letzten Beiträge berichtete docFood über die Kritik des Verbandes der Diätassistenten in Deutschland (VDD) an zahllosen selbsternannten „Ernährungsberatern“ die ihre Dienste z. T. ohne jegliche geprüfte Qualifizierung anbieten – was möglich ist, weil die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist. docFood spricht im folgenden Interview mit Birgit Blumenschein (Foto) über die Stellung von Ernährungsfachkräften in Deutschland und die Frage, ob der Begriff „Diätassistent(in)“ für das Image der Ernährungsberatung kontraproduktiv ist. „Wir brauchen  mehr Selbstbewusstsein und sollten stolz auf unsere Ausbildung und unsere Fähigkeiten sein – und entsprechend mehr über Ernährungsthemen reden statt über Berufsnamen.“ meint die selbstständige Diätassistentin mit eigener Praxis in Münster, die seit vielen Jahren aktives Mitglied des VDD ist. Zudem ist die Dipl. Medizinpädagogin als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der praxisHochschule Rheine, Studiengang Clinical Nutrition tätig und Mitautorin des Standardwerkes „Erfolgreich selbstständig als Ernährungsfachkraft“.
 
dF: Frau Blumenschein, die aktuelle Pressemeldung des VDD beklagt den Missbrauch, der mit dem Begriff Ernährungsberater betrieben wird. Trägt daran die unglückliche Berufsbezeichnung Diätassistent(in) schuld? Mit dem Begriff Diätassistent(in) (DA)verbinden Verbraucher bis heute wohl eher eine Person, die bei einer Diät assistiert als jemanden, der qualitätsgesicherte Ernährungsberatung betreibt.
Blumenschein: Es kommt vielen so vor, dass der Begriff “assistent” lediglich eine assistierende und damit nicht eigenverantwortliche Tätigkeit in der Diätetik und Ernährungsmedizin suggeriert. Das ist aber ganz und gar nicht so. Gemäß Berufsgesetz sind Diätassistenten verpflichtet, eigenverantwortlich und selbstständig entsprechende ernährungsmedizinische und diätetische Maßnahmen zu planen, durchzuführen und zu überwachen. Andere medizinische Fachberufe wie etwa die Pharmazeuitisch- und Medizinisch-technischen Assistenten (PTAs und MTAs)  – bei denen es übrigens keine solche “Namensdiskussionen” gibt – führen auch den „Assistenten“ im Namen und üben auf Anordnung des Arztes/der Ärztin eine verantwortungsvolle Tätigkeit aus. Sie tun das mit dem Selbstverständnis, dass es ohne ihre Zuarbeit keine Diagnosen und keine Therapieplanungen gäbe. Das ist manchen meiner Kolleginnen /Kollegen in ihrer täglichen Arbeit im ärztlichen und therapeutischen Kontext scheinbar nicht immer so deutlich. Allerdings hat der Wissenschaftsrat schon lange angeregt, die Berufsnamen der “Assistenzberufe” zu modifizieren, um ihren verantwortungsvollen Tätigkeiten auch “objektiv” gerecht werden zu können und Irritationen auszuschließen.
dF: Hätte man die Psychologen bei der Festlegung der Berufsbezeichnung Seelenklempner genannt, würde sich wohl niemand behandeln lassen.. Für das Marketing der Berufsgruppe ist die Bezeichnung DA im Grunde geschäftsschädigend. Gibt es Wege aus dieser ‘Bezeichnungsfalle’ ?
Blumenschein: Auch wenn das Beispiel witzig klingen mag und zudem plakativ ist, sehe ich das durchaus anders. Eine Berufsbezeichnung alleine ist weder Garantie für Qualität noch für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäftes oder Angebotes. Auf die Oecotrophologen, die in Ernährungstherapie und –beratung tätig sind, trifft das ja eigentlich genauso zu. Auch der Begriff Oecotrophologe wird von Klienten/Kunden häufig hinterfragt. Ich denke, wir brauchen in allererster Linie mehr Selbstbewusstsein. Wir sollten stolz auf unsere Ausbildung und unsere Fähigkeiten sein – und entsprechend mehr über Ernährungsthemen reden statt über Berufsnamen. Dann würden Verbraucher mit unseren Themen sofort die qualifizierte Ernährungsfachkraft verknüpfen und gar nicht erst über die “Assistenten” nachdenken.
dF: Es gab doch schon früher Versuche, die Bezeichnung zu ändern oder zu modifizieren. Warum waren die bis heute nicht erfolgreich?
Blumenschein: Bisherige Versuche sind u.a. am Gesetzgeber gescheitert. Der steht in Deutschland auf dem Standpunkt, dass ohne definierten Grund – wie etwa eine gravierende Ausbildungsänderung – der gesetzlich geschützte Berufsname nicht geändert werden kann und soll. Der Gesetzgeber hat bereits in 2010 Vertretern des Berufsverbandes mitgeteilt, er sehe keine Notwendigkeit, einzig auf der Basis des Argumentes dass “der Name die Patienten irritiert” eine dermaßen tiefgreifende Änderung herbeizuführen. Um einer anderen Berufsbezeichung willen nun unsere Ausbildung zu ändern, macht aus meiner Sicht allerdings wenig Sinn. Der VDD und viele Diätassistenten tun schon seit Jahren Gutes, in dem sie sich im klinischen und ambulanten Bereich durch ihre leistung profilieren und qualifizierte Ernährungsberatung täglich praktizieren. Es geht uns weniger um den Namen als darum, zu zeigen, dass die Arbeit in der Ernährungsberatung/-medizin und Diätetik eben nicht von jedem erledigt werden kann, nur weil er auch isst und trinkt.
dF:  Müssten sich nicht über den VDD hinaus alle Akteure im Bereich der qualifizierten Ernährungstherapie und -beratung  zusammentun, um die Sache gemeinsam voranzubringen?
Blumenschein: Da müsste zunächst definiert werden, zu diesen Akteuren tatsächlich dazugehört. Zu den typischen, durch staatlich anerkannte Ausbildung bzw. Studium absolvierten definierten „Ernährungsfachkräften“ gehören in Deutschland  in erster Linie Diätassistenten und Oecotrophologen. Zugehörig und über Zertifikate auch bei Krankenkassen anerkannt sind z.B. Bachelor/Master of Science mit Schwerpunkt Lebensmittel und Ernährung, Diplom-Ingenieure mit Schwerpunkt Ernährung. Alle diese Berufsgruppenangehörigen werden (oft mit entsprechender Zusatzqualifikation) formal als „Ernährungsfachkraft“ anerkannt. Die Mitglieder dieser Berufsgruppen zusammen zu bringen, um den Gedanken der qualitätsgesicherten Ernährungsberatung – und therapie voranzubringen, wäre sicherlich schwierig – aber nicht undenkbar. Dahinter müsste das Ziel stehen, sich im Einsatz für die qualitätsgesicherte Ernährungsberatung nicht auf Namen oder Berufsbezeichnungen zu reduzieren, sondern gemeinsam Inhalte, Fähigkeiten und Tätigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Damit wäre schon viel erreicht.
dF: Frau Blumenschein, ich danke Ihnen für das Gespräch
 
Mehr über Birgit Blumenschein auf Ihrer Website
 

 Dr. Friedhelm Mühleib

„Ernährungsberater“ – Schluss mit dem Begriffsmissbrauch!

Ernährungsberater kann sich in Deutschland jeder nennen, dem das gefällt. Das ist deswegen ein großes Übel, weil es tatsächlich viel zu viele tun, die null Ahnung von Ernährung haben. Der Begriff „Ernährungsberater“ ist bei uns nach wie vor nicht geschützt. Schlimm ist das vor allem für jene, die tatsächlich qualifizierte und zertifizierte Ernährungstherapie und –beratung betreiben. Sie sind die Leidtragenden dieses unhaltbaren Zustands. Für sie kommt das Fehlen einer geschützten Berufsbezeichnung einer Diskriminierung gleich – müssen sie doch täglich erleben, mit all den Scharlatanen und Möchtegern-Experten in diesem Bereich in einen Topf geworfen zu werden. Damit muss baldmöglichst Schluss sein, wie jetzt der Verband der Diätassistenten in Deutschland (VDD) fordert.
 
Dem VDD ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass permanent Schindluder mit dem Begriff „Ernährungsberater“ getrieben wird. In seiner aktuellen Pressemeldung warnt der VDD „vor einer schleichenden Aushöhlung der Heilberufe-Qualifikation“ im Bereich der ernährungstherapeutischen Beratung. Zu Recht beklagt sich Verbandspräsidentin Ina Lauer. „Wir erleben gegenwärtig, dass Gesundheitsbranche und Selbstverwaltung zunehmend den undefinierten Begriff ‚Ernährungsberater‘ verwenden und mit dessen Verwendung und Fixierung in Richtlinien und Vorgaben das staatliche Ziel eines verfassungsrechtlichen Auftrags des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unterlaufen.“
 

Ernährungsberatung – wie ein Begriff missbraucht wird.

Erläuternd ergänzt Lauer im Anschreiben zur Pressemeldung: „Wir stellen in letzter Zeit verstärkt fest, dass der Begriff ‚Ernährungsberater‘ schon fast zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört und – zu unserer Besorgnis – auch vermehrt in den Sprachgebrauch von Politik und Gesundheitsbranche Eingang findet. Patienten wie auch gesunde Menschen können damit aber nicht mehr erkennen, welche Qualität eine solche ‚Ernährungsberatung‘ hat. Das ist Anlass für uns klarzustellen, dass die Berufsbezeichnung ‚Ernährungsberater‘ keine durch eine Ausbildung gerechtfertigte Grundlage hat, nicht staatlich geregelt und zudem nicht gesetzlich geschützt ist.“ So weit, so gut. Wie von einem Verband vielleicht nicht anders zu erwarten, macht sich Lauer dann für die Stärkung des Berufs des Diätassistenten stark – als derzeit „einzigem Beruf, der sich monothematisch mit der Ernährung von Gesunden und Kranken befassen darf und deshalb gesetzlich geschützt ist. Lauer betont, dass nur durch den staatlich geregelten und geprüften Heilberuf des Diätassistenten ein gesicherter Qualitätsstandard in der Ernährungsberatung möglich ist, der auch den Anforderungen des Patientenschutzes gerecht wird.“
 

Gemeinsames Vorgehen nötig

Hier probt der VDD den Alleingang – und springt damit sicher zu kurz. Hier hätte man sich den Schulterschluss mit den – wenn auch wenigen – anderen Betieligten gewünscht, die neben den Diätassistenten ebenfalls qualifizierte Ernährungstherapie und – beratung betreiben. Wer die Szene kennt, dem sollte der Koordinierungskreis zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung ein Begriff sein, in dem der VDD eines von 10 Mitgliedern ist. Unter anderem gehören die Ernährungsmediziner (BDEM und DAEM) sowie der BerufsVerband Oecotrophologie (VDOE) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) dazu. Nur gemeinsam ist man stark: Warum greift man nicht gemeinsam mit diesen Partnern an. Schließlich vertreten auch Sie Berufsgruppen, die qualifizierte und zertifizierte Ernährungstherapie und –beratung betreiben. Der VDD hat mit seiner Aktion ein wichtiges Zeichen gesetzt. In den Kampf ziehen sollte man gemeinsam – denn ein Kampf wird es sein. Von der Bedeutung der Ernährung reden alle gerne – aber zahlen will keiner dafür. Das muss sich ändern.

Dr. Friedhelm Mühleib

Die Leber aus ernährungsmedizinischer Sicht

Fettleber und andere chronische Lebererkrankungen stehen bei Ernährungsfachkräften ganz oben auf der Liste ernährungsbedingter Erkrankungen ihrer Klienten. Für alle, zu deren ernährungstherapeutischem Alltag Krankheiten rund um die Leber gehören, bietet die Fachhochschule Rheine am 02. November 2016 eine aktuelle, spannende (..und zudem kostenlose) Veranstaltung an: Lebererkrankungen und Ernährung – Update 2016, so lautet der Titel des 5. Rheinenser Ernährungsmedizinischen Symposiums. Dipl.-Medizinpädagogin Birgit Blumenschein und Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich (Foto) gehören mit zu den Akteuren.

Ziel der Veranstaltung ist, die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Ernährungstherapie rund um die Leber miteinander verknüpfen.
 
Ganzheitlicher Blick auf Leber und Ernährung
Die Vorträge mit Fokus auf physiologischen, medizinischen, diätetischen und pharmakologischen Aspekten zeigen die optimale interdisziplinäre Vorgehensweise im klinischen und ernährungstherapeutischen Alltag auf. Hauptreferenten und Themen der Abendveranstaltung (17:00 – bis 20:30) sind ● Dr. rer. nat. Cordula Siegmann-Thoss (Diplom-Chemikerin; Hochschullehrerin der praxisHochschule Rheine) mit dem Thema „Die Leber – das Chemielabor in unserem Körper“ ● Dr. med. Frank Holtkamp-Endemann (Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie, Proktologie, Gemeinschaftspraxis in Münster) mit seiner Keynote-Lecture über „Ernährungsmedizinisch relevante Lebererkrankungen“ ● Birgit Blumenschein (Dipl.-Medizinpädagogin; Diätassistentin; Wiss. Mitarbeiterin, Studiengang Clinical Nutrition, praxisHochschule Rheine), die über „Aktuelle Ernährungsaspekte“ referiert sowie ● Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich (Studiengangsleiter Clinical Nutrition, praxisHochschule Rheine, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) mit seinem Beitrag über „Hepatische Nebenwirkungen von Medikamenten: Management in der Praxis.
 
Info von docFood
Die Veranstaltung kann für die kontinuierliche Fortbildung von Zertifikatsinhabern mit bis zu 6 Punkten berücksichtigt werden. Sie ist für die Fortbildungszertifikate bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe und bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe angemeldet. Die Zertifizierung kann von VDD, VDOE und VFED mit bis zu 5 Punkten bestätigt werden. Zur Anmeldung für die Veranstaltung geht es hier.

 Redaktion

Foto: Dipl.-Medizinpädagogin Birgit Blumenschein und Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich – Referenten des Symposiums in Rheine.

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Brustkrebs, KHK und Alkohol bei Frauen

Eine neue Studie hat ergeben, was unter Ernährungsfachkräften schon lange als Binsenweisheit gilt: Alkohol beeinflussen das Risiko für Brustkrebs und koronare Herzkrankheit (KHK) bei Frauen. Nach den Wechseljahren nehmen die beiden Erkrankungen Spitzenplätze in den Mortalitätsstatistiken von Frauen ein. Für ihre Studie verwerteten dänische Forscher die Angaben von mehr als 21.500 älteren Frauen aus der Diet, Cancer and Health Study , die alle die Menopause hinter sich und bislang noch keine Tumorerkrankung hatten. 
Und wie lässt sich das Resultat der aufwändigen Studie zusammenfassen? Erhöhen ältere Frauen ihren Alkoholkonsum, steigern sie ihr Brustkrebsrisiko. Sie senken aber zugleich die Gefahr einer KHK.
 

Alkohol in Maßen – gut fürs Frauenherz

Die Studie mündet in der Erkenntnis, dass moderater Alkoholkonsum das Brustkrebsrisiko etwas erhöht, dafür aber gut fürs Herz ist und mit einem längeren Leben einhergeht. Einem Glas Wein am Tag erscheint dabei als empfehlenswerte Dosis. Ein wahrhaft salomonischer Rat! Bravo, liebe Forscher, das ist doch mal wieder eine bahnbrechende Erkenntnis. Habt ihr doch endlich herausgefunden, was schon immer die Empfehlung vernünftiger Ernährungsfachkräfte ist: Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren – bei diesem Gläschen sollte es dann möglichst auch bleiben.
 

Abstinenz? Nicht unbedingt die beste Lösung

Wer sich für die Ergebnisse im Einzelnen interessiert, findet eine gute Zusammenfassung in der ÄrzteZeitung, die u. a. ausführt: Die geringste Brustkrebsrate war bei Frauen ohne Alkohol und bei solchen mit maximal 10 g Alkohol (entspricht 0,25 l Bier) täglich zu beobachten, bei denen mit mehr als 48 Gramm Alkohol (ca. 0,5 l trockener Weißwein oder 1 Liter Bier) am Tag war sie um 45 Prozent erhöht – es zeigte sich aber kein klarer Dosiseffekt. Die KHK-Inzidenz ergab dagegen eine bilderbuchmäßige U-Kurve: Das Optimum lag bei 36 bis 46 Gramm Alkohol täglich, dem Drei- bis Vierfachen dessen, was für Frauen üblicherweise als unbedenkliche Maximaldosis genannt wird.
 

Es bleibt beim Gläschen in Ehren

Bei Frauen mit solch großen Durst auf Alkohol war die KHK-Rate um rund 40 Prozent geringer als bei Abstinenzlern und um 23 Prozent geringer als bei solchen, die sich gelegentlich mit einem Gläschen Wein begnügten. Bei Mengen jenseits von 46 g/d lag die KHK-Rate etwas höher, aber immer noch geringer als bei den Wenigtrinkern, wie die ÄrzteZeitung rezipiert. Am meisten dürften die Ergebnisse jene Gesundheitsapostel nerven, die 100-prozentige Abstinenz predigen und darin den Quell ewiger Gesundheit sehen. Es bleibt beim Gläschen in Ehren.

 Friedhelm Mühleib

Adipositas-OPs: mangelnde Nachsorge gefährdet Erfolg

Immer mehr Menschen leiden in Deutschland an krankhaftem Übergewicht. 2014 mussten sich gut sieben Millionen Menschen wegen Adipositas in Praxen behandeln lassen – 14 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Auch die Zahl der operativen Eingriffe zur Gewichtsreduktion wächst rasant. So hat sich die Anzahl der bariatrischen Operationen im selben Zeitraum bei den BARMER GEK Versicherten auf 1.070 Fälle mehr als versechsfacht und bei allen Krankenkassen auf 9.225 Eingriffe mehr als verfünffacht. Das geht aus dem Report Krankenhaus 2016 der BARMER GEK hervor, den die Krankenkasse aktuell vorgestellt hat.
 

Großer Handlungsbedarf in der Nachsorge

Große Defizite sieht der Report im Bereich der Nachsorge. „Mit einer bariatrischen Operation allein ist es bei weitem nicht getan. Wichtig ist, dass die Menschen in der Folgezeit nicht alleine gelassen werden.“, so Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK,anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung des Reports. „Ein Schlauchmagen hilft wenig, wenn ein Betroffener danach zum Beispiel große Mengen von Sprühsahne isst, um eine Kalorienzahl wie früher zu sich zu nehmen. Auf der anderen Seite kann ein Magen-Bypass einen lebensbedrohlichen Nährstoffmangel nach sich ziehen, weil die Enzyme im Dünndarm kaum mehr Zeit haben, die Nährstoffe zu spalten. Daher brauchen die Betroffenen eine dezentrale und engmaschige Nachsorge mit der Unterstützung von interdisziplinären Teams, auch in den ländlichen Regionen.“ Erklärt Strauch weiter und fügt hinzu: „Die Kliniken sollten hierzu mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort interdisziplinäre Nachsorgekonzepte entwickeln. Bei einer bariatrischen Operation und der Nachsorge bedarf es eines langen Atems. So aber besteht eine gute Chance, dass die Patientinnen und Patienten endlich wieder ein deutlich beschwerdefreieres Leben führen können und damit wieder mehr Lebensqualität gewinnen.“
 

docFood meint:

Tatsächlich sollte der „Atem“ in Nachsorge bariatrischer Patienten sehr lange sein – im Grunde braucht es nach einem solchen Eingriff eine lebenslange Betreuung. Eine Betreuung, die vom Hausarzt aus fachlichen und zeitlichen Gründen kaum geleistet werden kann. Hier kommt eine große Aufgabe auf Ernährungsfachkräfte zu. Strauchs Einsicht bezüglich der notwendigen Nachsorge kommt spät – doch spät ist besser als nie. Spät deshalb, weil die Kassen in der Finanzierung einer entsprechenden Nachsorge bisher eher zugeknöpft waren. So umfasst von den Kassen finanzierte Nachsorge in der Regel sechs Untersuchungstermine im ersten Jahr nach der OP, zwei Termine im zweiten Jahr und anschließend eine jährliche Konsultation. Von engmaschiger, lebenslanger Betreuung mit langem Atem kann da wohl nicht die Rede sein. Man darf gespannt sein, ob Strauchs Einsicht nun auch Taten folgen und die nötigen Mittel zur Finanzierung dieser Taten bereitgestellt werden. Die BARMER als eine der größten Ersatzkassen könnte hier ein Zeichen mit Signalcharakter setzen.

 Dr. Friedhelm Mühleib